Kernargument dafür, daß in der Lebenswendefeier recht wenig von christlichen Kernwahrheiten die Rede ist, war ja, daß der Zielgruppe überhaupt erstmal die Grundlagen für diese Wahrheiten, nämlich die Denkmöglichkeit von Transzendenz, nähergebracht werden muß. Jetzt bin ich über ein Interview mit Weihbischof Dr. Hauke in der Herder-Korrespondenz 12/2009 (610-615) gestolpert, das das indirekt aus seinem Munde bestätigt:
Wie soll man draußen erzählen, was einem selbst wichtig ist? Man weiß das zwar alles schon, rein theoretisch. Dies aber zu formulieren ist äußerst schwierig, erst recht gegenüber Menschen, die keinerlei oder kaum Kenntnis vom christlichen Glauben besitzen. In der öffentlichen Verkündigung müssen wir so immer wieder verinnerlichen, dass wir es mit Menschen zu tun haben können, die keinen religiösen Hintergrund haben. Wir können deshalb nicht ohne weiteres beispielsweise von Gnade, Sühne, Barmherzigkeit reden; das wird im außerkirchlichen Bereich kaum verstanden.Das Interview ist übrigens auch darüber hinaus durchaus lesenswert, da geht's auch um andere missionarische Projekte (übrigens sogar das Kolumbarium! - deshalb geht es allerdings gerade nicht um die Frage der Feuerbestattung) und deren Hintergründe. Nett war etwa:
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Vor allem im Umgang mit erwachsenen Taufbewerbern spüre ich immer wieder, wie ich um Worte ringe. In der gemeinsamen Bibellektüre mit den Taufbewerbern versuche ich dann zuerst den Horizont zu weiten auf ein geschichtliches Denken, auf dieses sinn-deutende Denken der Bibel hin.Wir dürfen dabei aber nicht nur die Schwierigkeiten sehen. Durch dieses Herausgefordertsein in einem nichtreligiösen Umfeld klärt sich auch vieles für uns Christen selbst, was den eigenen Glauben angeht.
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Der Religionsunterricht ist eine große Chance, Menschen mit dem Glauben bekannt zu machen, freilich zunächst auf der Informationsebene. Wir müssen erklären, was Christen glauben, was ihr Leben sinnvoll macht. Wir sagen den Schülern zuallererst, dass es sinnvoll ist, sich mit dem Glauben zu beschäftigen, um in einer christlich geprägten Kultur zurechtzukommen. [...] Natürlich aber müssen wir auch damit rechnen, dass viele das lediglich zur Kenntnis nehmen, es sie dann aber nicht weiter berührt. Bei manchen aber entsteht daraus die Frage nach dem Sinn des Ganzen.
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Wenn ich diese [missionarischen] Projekte vorstelle, betone ich zunächst immer, dass sich, was in Erfurt beispielsweise möglich ist, nicht überall eins zu eins übersetzen lässt. Entscheidend ist, dass wir lernen, quasi von außen zu schauen, was Kirche tut. Das ist sehr heilsam.Wir müssen uns doch beispielsweise immer wieder fragen, mit welchen Worten wir formulieren, was uns wichtig ist. Oder gucken wir uns doch beispielsweise einmal die Schaukästen unserer Gemeinden an. Was findet dort jemand, der bislang keinen Kontakt zur Kirche hat und wissen möchte, was katholische Kirche eigentlich ist? Wir müssen uns viel öfter noch von außen anschauen und fragen, ob wir wirklich verständlich sind. Schreiben wir doch in Schaukästen und auf die Gemeinde-Homepage, was Fronleichnam oder Pfingsten für uns bedeutet!
In dem "Buch der Anliegen" im Dom stand jüngst: "Gott ich glaube nicht an Dich, aber pass’ auf meine Oma auf, die jetzt im Himmel bei Dir ist." Natürlich lässt sich sagen, dass das widersprüchlich ist: Ich habe die Sehnsucht nach Geborgenheit, aber ich habe auch Angst vor der Konsequenz, dass, wenn ich mich öffne und sage, es gibt einen Gott, ich mich ja auch ein bisschen um diesen Gott kümmern muss. Wir als Kirche sollten uns aber immer fragen, wie hoch unsere Schwellen sind, und ob es uns gelingt, den Menschen zu zeigen, dass sie etwas gewinnen können und nicht nur, dass sie etwas verloren haben.Und dann gibt's noch zwei volle Breitseiten:
Ich erlebe derzeit viel zu viel Verlustangst in der Kirche und die Angst, sich auf Neues einzustellen. Es herrscht ein Geist der Besitzstandswahrung. Dabei merkt man, dass es nicht weiter geht wie bisher, Gesellschaft und Kirche verändern sich so schnell. Die Kirche in Deutschland erlebt einen echten Umbruch und vielleicht sind wir in den neuen Ländern in diesem Prozess schon etwas weiter. Wir Christen sind herausgefordert, neu zu denken und das Wertvolle unseres Glaubens neu zu sehen. Es ist keine Katastrophe, man kann auch in der Diaspora als Christ leben. Kirche kann auch in dieser Situation existieren, uns droht nicht der Super-GAU. Das zu akzeptieren und zu verstehen ist entscheidend, damit wir uns nicht lähmen lassen. Die Anfrage eines Menschen von außen, der mich ganz unvorbelastet nach der Kernaussage des Christentums fragt, darf mich nicht in Empörung verstummen lassen. Ich brauche keine Angst zu haben vor den Fragen der Menschen.
[...]
In zehn oder zwölf Jahren werden wir keine Pfarrer mehr an jedem Ort haben, auch dort nicht mehr, wo heute noch welche sind. Wir müssen also die Gemeinden langsam wieder damit konfrontieren, dass der Hirt der Gemeinde Christus selbst ist. Christus leitet die Gemeinde. Ich wage zu sagen: Dass Christus das Zentrum der Gemeinde ist und nicht der Pfarrer, das haben die Gemeinden und auch viele Pfarrer selbst viel zu sehr verdrängt.
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