Mittwoch, 23. Februar 2011

*Patsch*

Kinners, dat muß man sich auf der Zunge zergehen lassen:
N[orbert] K[ebekus]: Memorandum und Petition haben ja nicht nur eigene Websites. Diskussionen über die beiden Texte spielen sich in sozialen Netzwerken und in Blogs ab. Wie wichtig ist das “Social Web” für Ihre Anliegen und darüber hinaus für die Dialoginitiative?

Franca Spies, Peter Hohler [Memorandum]: Die Funktion des Internets erleben wir als ambivalent. Polemische Beiträge zeigen uns, dass sich das Internet für tiefere Diskussionen, die ein emotionales Thema behandeln, nicht eignet. Hier werden Diskussionen nicht auf angemessenem Niveau und in der gebotenen Sachlichkeit geführt. Grund dafür scheint zu sein, dass Anonymisierung und ein fehlendes Gegenüber, das direkt wahrnehmbare Reaktionen auch auf emotionaler Ebene zeigt, die Hemmschwelle für Polemik und Beleidigung senken. Als Medium, über das Information verteilt und ein Bildungsauftrag erfüllt werden kann, halten wir das Internet hingegen für sehr geeignet.

Peter Winnemöller (Petition): Im „Social-Web“ sehe ich ein große Chance, einen Meinungsbildungsprozess auch unabhängig von etablierten Medien zu betreiben. In den katholischen Weblogs wird z.B. regelmäßig sowohl über die Petition als auch über das Memorandum berichtet. Natürlich werden hier Meinungen viel dezidierter vertreten, als in den Medien der großen Verlagshäuser, doch das darf und soll auch so sein.

Die Vernetzung untereinander bewirkt auch, dass es Berührungspunkte mit Vertretern anderer Meinungen gibt. Dabei zeigt sich oft, dass es nicht nur Schwarz und Weiß gibt. Es gibt punktuelle Zustimmung und punktuelle Ablehnung, dies kann uns vor Lagerbildung bewahren, die wie ein Damoklesschwert über dem angestrebten Dialog schwebt. Auch wenn ich selber im Augenblick kaum dazu komme, mit dem einen oder anderen in eine Diskussion zu treten, so nehme ich genau das bei vielen, mit denen ich vernetzt bin, deutlich wahr. Beeindruckend empfinde ich die völlig undiplomatische Ehrlichkeit, mit der die Positionen vertreten werden.

[...]

N.K.: Bei Facebook vernetzen sich jeweils die Memorandum-Unterstützer und die Petition-Befürworter. Die beiden “Lager” bleiben aber weitgehend unter sich. Es wird eher nicht mit den anderen geredet, sondern übereinander. Welche Orte des Dialoges sehen Sie im Internet? Oder: welche Orte müssten noch geschaffen werden?

Franca Spies, Peter Hohler: Das Internet dient unserer Ansicht nach in erster Linie der Informationsverbreitung und ist ein ungeeignetes Medium für Diskussionen. Solange Emotionen nur sehr eingeschränkt und nicht in Echtzeit übermittelt werden, kann im Internet kein Ersatz für echte zwischenmenschliche Diskussion geschaffen werden.

Peter Winnemöller: Ich sehe eigentlich nicht, dass die „Lager“ so streng getrennt sind. Jedenfalls habe ich niemanden aus meiner Facebook-Freundesliste gekegelt, weil er das Memorandum unterstützt. Sicher kommunizieren die einzelnen Gruppen nicht miteinander. Aber das tun ja schließlich die Fangruppen von Borussia Dortmund und FC Schalke auch nicht. Orte des Dialoges im Internet sind dann eher die eigenen Profilseiten, Internetforen und Kommentarbereiche von Weblogs.

Social Media als "Informationsverbreitungsinstrument"? Wofür steht denn wohl das "social" in "social media"? Für Massenkommunikation? Argbl, kein Wunder, daß aneinandervorbei dialogisiert wird.

5 Kommentare:

  1. Ich war ehrlich gesagt auch etwas platt bei den Antworten bezüglich Sozialen Medien und der Diskussionsmöglichkeiten im Internet.

    Es ist mir ein (augenzwinkernder) Trost, daß ich mir gerade wesentlich weniger alt vorkomme. ;-) (Vermutlich habe ich schon im Usenet mitgequatscht als die beiden noch nicht geboren waren.)

    Aber vielleicht sind bestimmte
    Affinitäten zu modernen Medien oder Kommunkationsmuster in denselben wesentlich weniger altersabhängig als ich bisher dachte.

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  2. Hö ma, mit dem "aneinandervorbei dialogisieren" kennen wir beide uns doch wohl aus, oder? Aber so isses überall; auch bei mir in meiner Studentenverbindung geschieht das gerade. Da wird auch munter aneinander vorbeidiskutiert und keiner hört wirklich auf den anderen. Bin kurz davor, die nächsten 95 zu verfassen...

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  3. Ey, sädde Hä uff! Soll dat heißen, wir beide würden aneinander vorbei dialogiesieren?!?!?!?1111elf ;-)

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  4. Ehrlich gesagt glaube ich schon, dass aneinander vorbei geredet und gearbeitet wird. Allerdings weiß ich gar nicht, ob ich das so schlimm finden soll.
    Ich kann diesem zigtausendsten Versuch, die Habermassche kommunikative Theorie in die Kirche zu tragen jedenfalls kein rechtes Vertrauen entgegenbringen.

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  5. Ekklesiologisch gesehen finde ich das schon schlimm. Es zeigt, daß kaum noch jemand bereit ist, auf Argumente eines anderen einzugehen. "Meine Meinung steht fest, bitte verschonen Sie mich mit Tatsachen."

    Das hat noch nicht mal was mit Habermas zu tun. Der springende Punkt bei Habermas ist ja, daß er meint, am Ende des "herrschaftsfreien Diskurses" stünde ein allgemein anerkannter Konsens. Soviel weltfremden Idealismus gab's (zugegebenermaßen) in deutscher Philosophie seit 1830 nicht mehr.

    Alles andere ist nur eine Frage des vernünftigen Umgangs miteinander, der es eben auch aushalten muß, daß da emotionale Stauungen einen Druckabbau suchen.

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