Donnerstag, 30. Dezember 2010

Pseudonymität und das Wesen des Netzes I: Tod des Autors

Als Anfang Dezember Stanislaus "enttarnt" wurde, fragte ich mich, warum der Herr "Meier" eigentlich so "geil" darauf war, den richtigen Namen eines Bloggers herauszufinden. Gleichzeitig hatte ich privat mehrer Diskussionen zu diesem Thema, in der verschiedene Personen mir rieten, ich solle doch auch unter Realnamen posten, sonst enttarne mich Herr "Meier" auch noch (so fucking what?!), oder zumindest die Ansicht vetraten, "anonyme" Meinungsäußerung sei doch zumindest schlechter Stil.

Ehrlichgesagt habe ich die ganze Aufregung nicht verstanden, und zwar von vorne bis hinten nicht. Denn abgesehen davon, daß ich quasi von einem Vorgesetzen zwar nicht ausrücklich, aber doch implizit zum "getarnten" Posten animiert wurde, hätte ich selbst ohne diese Aufforderung nicht unter meinem richtigen Namen gebloggt. Meine erste "Rechtfertigung" war daher: "Das ist im Internet halt so, da verwendet man nunmal Nicknames, und Pseudonymität ist etwas anders als Anonymität." Denn ein Pseudonym verschleiert zwar die Identität ein wenig, aber trennt die mit ihm verbundenen Daten keineswegs von der Person (und was ist eigentlich ein Ordensname, wenn nicht ein Pseudonym -- bloggt Alipius also unter seinem Realnamen oder unter einem Pseudonym?), wie es die Anonymisierung tut. Pseudonymisierte Daten sind im Gegensatz zu anonymisierten Daten immer noch personenbezogene Daten, auch wenn der Aufwand, sie einer Person zuzuordnen, erschwert ist. Anonymisierte Daten hingegen sind von der Idee her nicht mehr einer Person zuzuordnen, auch wenn es bei sehr speziellen Daten doch möglich ist -- siehe Bradley Manning.

Mir war allerdings schon klar, daß das ein recht schwaches, wenn auch sehr pastorales ("das war schon immer so, das haben wir noch nie anders gemacht") Argument ist. Bestätigt wurde meine Intuition allerdings dadurch, daß eine Mitbloggerin auch nach mehrfacher Aufforderung sich weigerte, meine RL-Identität herauszufinden; die interessiere sie einfach nicht, solange ich nicht xxxx xxxx (jemand, den sie kennt) sei. Genau das konnte ich dann den Vertretern der Realname-Bloggerei vorhalten -- mit dem Ergebnis, daß praktisch alle zugeben mußten, sie hätten sich einfach nicht dafür interessiert, wer da bloggt, sonst hätten sie mich wahrscheinlich schon viel früher erkannt (denn allzu schwer dürfte das nicht sein). Und genau das ist es doch: Woher weiß ich eigentlich bei einem scheinbar richtigen Namen wie Peter Müller, daß es sich wirklich um einen Peter Müller handelt, und woher weiß ich, daß das verwendete Foto tatsächlich um den Autor des Blogs handelt? Klar, Vincentius Lerinensis ist heute kein wirklicher häufiger Name und die Kombination mit dem Blogtitel "Commonitoria" (Commonitorium war leider schon weg) zeigt doch ziemlich deutlich, daß es sich nicht um meinen richtigen Namen handeln kann (sondern um ein bestimmtes Konzept hinter dem Blog; daß ich das nach gut sechs Wochen nicht mehr einhalten konnte, steht auf einem anderen Blatt). Bei "gregoriusbraun" ist es aber schon weniger leicht zu entscheiden, ob das ein Realname ist.

Mein erster Gedanke war daher: Mit meinem Realnamen hätte ich also möglicherweise sogar meine Leserschaft vergrößern können. Aber genau darum geht es mir nicht. Nicht wer etwas schreibt ist relevant, sondern was geschrieben wird, also die Sache. Da muß man nicht einmal zum Konzept "Tod des Autors" greifen, sinngemäß steht das schon bei Thomas von Aquin.

Doch das ist nur meine persönliche Einstellung. Teilen das alle anderen? Woher kommt die Verwendung von Nicknames im Internet? Wo liegt der Unterschied zu Leserbriefen in Zeitungen? Warum beschweren sich sogar Journalisten über die Anmeldeprozedur bei der Zeitung des Herrn "Meier"? Worin liegt also der wesentliche Unterschied zwischen dem Internet und den (anderen?) Massenmedien hinsichtlich der Identität/Pseudonymität/Anonymität begründet?

(to be continued)

3 Kommentare:

  1. Nun, ich teile Deine Meinung.
    Ich habe zu diesem Thema noch einen Blogeintrag "auf Halde liegen", den ich noch nicht veröffentlicht habe. Veilleicht mache ich das jetzt doch noch...

    Ein Pseudonym kann ein Schutz für die Person sein, aber ich denke auch, daß diese Ankoppelung an eine Persönlichkeit bei gleichzeitiger Abkoppelung von der realen Person den Inhalten wesentlich mehr Gewicht verleiht und damit der weitaus wichtigere Aspekt ist. Die Geschichte der Literatur, der Kirche, der Politik ist voll von solchen pseudonymen Autoren, die manchmal sehr wichtige Anstösse gegeben haben, es aber unter ihrem "Realnamen" niemals hätten tun können, vielleicht auch, weil man ihnen gar nicht zugehört hätte...
    Das Pseudonym im Internet ist ein ganz eigenes Phänomen.

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  2. Bei mir hat die Verwendung eines Nicks diesen Hintergrund:

    "Morgenländer" ist eine Kunstfigur, ein Mensch, der seine Zeit mit dem Nachdenken über Literatur, Philosophie und die letzten Fragen verbringt und über dessen Alltag der Leser so gut wie nichts erfährt.

    Würde ich unter meinem real name posten, würden beim Schreiben ganz andere Dinge in den Vordergrund drängen: mein Brotberuf, mein Familienleben - also gerade das, wovon ich beim Bloggen etwas Abstand gewinnen möchte.

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  3. Ich schreibe auch nicht unter meinem vollen Namen, aber mit ein bisschen stöbern und kombinieren könnte man schon herausfinden, wer ich bin. Zugegeben, ich will das nicht jedem sofort auf die Nase binden und wer mich aus welchen Gründen auch immer googelt, soll nicht gleich den Blog finden. Er ist einerseits privat (die Verbindung zwischen Beruf und dem Blog muss ich nicht unbedingt haben), aber andererseits blogge ich ja öffentlich, ohne Passwortzugang. Es ist schon ein bisschen Schutz, ohne meinen vollen Namen zu schreiben. Und es kann eben nicht jeder Depp gleich herausfinden, wer ich bin, wo ich wohne etc.
    Aber mit ner Spürnase und wenn ich vielleicht eh schon eine Ahnung habe, dann finde ich den wahren Namens eines Blogautors auch heraus. Wenn es mich interessiert...

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