Donnerstag, 1. Juli 2010

Wulff wird ein guter Präsident

Ich kann's nicht mehr hören! Aller Orten (exemplarisch hier und hier) wird über die Wahl von Wulff lamentiert. Vorausgesetzt, da stecken tatsächlich ernsthafte Argumente hinter und nicht nur die wohlfeile Pflege der eigenen allgemeinen Politikverdrossenheit, sei an ein ganz gewichtiges Faktum erinnert: 1999 hat Gauck selbst seine Nominierung durch die CSU abgelehnt. Wahrscheinlich wegen mangelnder Wahlaussichten. Stattdessen hat er sich jetzt von rot-grün zum Affen machen lassen. Hätte rot-grün eine ernsthafte Chance gesehen, einen eigenen Kandidaten zum Bundespräsidenten zu wählen, hätten sie ganz sicher nicht Gauck aufgestellt. Oder anders formuliert: Diese Wahl ist nicht mehr und nicht weniger (tages-)politisch bestimmt gewesen als alle anderen vorher. Das Amt mag einen überparteilichen Anspruch haben, die Wahl in dieses Amt war es nie.

Ob Wulff der beste möglich Kandidat war, sei einmal dahingestellt, mir fällt jedenfalls kaum ein politisch durchsetzbarer besserer ein. Worin ist denn Gauck bitte besser? Weil er jahrelang eine nach ihm benannte Behörde geleitet hat? Weil ihn "das Volk" sympathischer findet? Weil Gauck kantiger daherkommt als Wulff? Also ich habe genug von Ersatzvaterfiguren in der Politik...

Es mag ja in mehr oder weniger bürgerlichen Kreisen populärer sein, sich gegen die DDR-Vergessenheit zu stellen, Wulff hingegen ist einer der wirklich wenigen Politiker, die sich mit aktuell geltendem politisch gewolltem Unrecht auseinandersetzen, nämlich der willkürlichen Nicht-Revision der Enteignungen in der SBZ vor Gründung der DDR im Zuge der Wiedervereinigung. Im Gegensatz zur Erinnerung an DDR-Unrecht würde das, wenn breit diskutiert, viel mehr Politikern, noch dazu im eigenen "Lager", weh tun. Nein, Wulff mag zwar als der liebste aller möglichen stromlinienförmigen Schwiegersöhne erscheinen, dahinter steckt aber ein mindestens ebenso kantiger Politiker wie Gauck sich öffentlich präsentiert.

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