Samstag, 28. April 2012

Verfassungswidrigkeit der Familie

Wenn alles mit halbwegs rechten Dingen zugeht, müßte das Betreuungsgeld jetzt sicher sein. Als Befürworter muß man sich eigentlich nur noch genüßlich zurücklehnen und darauf warten, daß sich die Gegner um Kopf und Kragen reden. Nachdem am Mittwoch bereits Manuela Schwesig erfolgreich vorgelegt hatte (und eine coole Antwort hervorgerufen hat, die weder sie noch ihre Äußerung einer Erwähnung für würdig befand und trotzdem klar gegen sie gerichtet war), greifen die Verzweifelten jetzt zum letzten Todschlagargument: Verfassungswidrigkeit.

Dafür müssen sie allerdings ganz schöne Klimmzüge machen, die es kaum wert sind, kommentiert zu werden. Zum einen bereite der Krippenausbau keine Nachteile für die Eltern, die ihre Kinder zu hause erziehen (was für sich genommen zwar richtig, aber kein Argument ist), zum zweiten dränge das Betreuungsgeld „Eltern zu einer bestimmten Art und Weise der Erziehung ihrer Kinder“ (was bereits sachlich falsch ist, denn die Geldzahlung ist ja nicht an einen bestimmten Erziehungsstil oder bestimmte Erziehungsziele geknüpft). Daß die Eltern für Kindergartengebühren entschädigt werden müßten, werde ich mir auch merken, wenn ich für meinen nächsten Ausweis Geld auf den Tisch legen soll; immerhin scheine ich ja einen verfassungsmäßigen Anspruch darauf zu haben, kostenlose Leistungen vom Staat zu bekommen.

Na, wie gesagt: Das Ende der Debatte kann nicht mehr fern sein. Zumal auch die Zustimmung deutlich höher ist, als man angesichts des Medienechos denken könnte, insbesondere in der (möglichen) Elterngeneration (51%). Und während die Piratenpartei das Betreuungsgeld ablehnt (man prüfe diese Aussage mal anhand der dortigen Kommentare :-), hat es unter den Piratenanhängern (und nur unter den Piratenanhängern) tatsächlich einer relative Mehrheit von 47%.

Datenflut

Heute kam die Antwort vom Volkbund zum Schicksal meines Großvaters. Die profanste aller möglichen:
Es hat sich im Nachhinein herausgestellt, daß es bezüglich der Vermißtenorte und des Vermißtendatum in einigen Datensätzen zu Abweichungen gekommen ist. Aufmerksam hierauf wurden wir, wie im Falle Ihres Angehörigen, durch die Anfragen der Familienangehörigen. Die Abweichungen resultieren aus dem Umstand, daß die Angaben des DRK, um die Flut der Daten bewältigen zu können, zu sogenannten Ortsschlüsseln zusammengefaßt wurden.
Wirklich die profanste -- und ärgerlichste -- aller möglichen Erklärungen. Wer sich schonmal ernsthaft mit der Konsitenz von Daten auseinandergesetzt hat, weiß, daß gerade beim Transfer von unüberschaubar großen Datenmengen ("Datenflut") die korrekte Übernahme wichtig ist, da niemand im Nachhinein hingehen und alles nochmal überprüfen kann.

Um ein paar Monate zu sparen, wird auf Jahrzehnte hinweg eine fehlerhafte Datenbank in Kauf genommen. Sowas haben wir auch hier in der Unibibliothek. Da wurde die Bibliothek einer aufgelösten evangelischen Ausbildungsstätte übernommen, und weil die Bibliothek damals sowieso noch im Aufbau war und das Geld trotz allem knapp, hat man die Integration von externen Hilfskräften machen lassen, die sich offenbar nicht gerade durch theologische Fachkenntnis auszeichneten. Mit dem Ergebnis, daß Bücher nicht mehr sinnvoll gefunden werden konnten, weil sie unter falschen Notationen aufgestellt worden waren. So fand ich mal ein Buch über die Eucharistie unter BK 6150. Ohne solche Zufallsfunde ist im Nachhinein nichts mehr zu korrigieren. Und genau das Problem hat jetzt der Volksbund.

Nur daß es dort nicht um Bücher geht, die thematisch falsch aufgestellt, aber immer noch über Autor und Titel zu finden sind. Sondern um das seit über 60 Jahren ungeklärte Schicksal von Menschen, deren Angehörige plötzlich die Hoffnung haben, doch noch einmal an einem Grab stehen zu können. Ok, kann man jetzt nicht mehr ändern, aber damit ist der Datenbestand des Volksbundes plötzlich wertlos, weil man sich nie darauf verlassen kann, daß er auch korrekt ist.

Freitag, 27. April 2012

Hermeneutik der Kontinuität

Über meinem Blog steht: "In ipsa item catholica ecclesia magnopere curandum est, ut id teneamus, quod ubique, quod semper, quod ab omnibus creditum est." Der geneigte Leser wird sich wohl die Quelle dieses "Kanons" angesichts des "Commonitoria" (commonitorium.blogspot.com war schon besetzt und außerdem spricht Vinzenz ja selbst von zwei Mahnbüchern, von denen aber der zweite Teil schon ihm selbst gestohlen worden sein soll) und des Bloggernamens "Vincentius Lerinensis" zumindest ergoogeln können. Allerdings möchte ich dann doch mal darauf hinweisen, daß ich mich damit nicht selbst schubladisieren will. Auf der einen Seite hat mich ein wenig der Schalk geritten, als ich auf diese Idee kam, zum anderen hatte ich schon seit meiner Diplomarbeit die passende E-Mail-Adresse.

Vor allem aber bin ich seit der tiefergehenden Beschäftigung damals (freundlich ausgedrückt:) erstaunt, wie wenig der Vinzenz wirklich gelsen wurde und wird. Irgendwas mal über ihn gehört haben viele, besonders in konservativeren Gruppen kann man auch den sogenannten Kanon zitieren. Aber nur aus dem Zusammenhang gerissen! Denn er erscheint ja auf den ersten Blick so klar und verständlich, weil er so knackig formuliert ist.

Aber es fängt schon mit der Reihenfolge der Einzelkriterien an. Erst seit knapp 200 Jahren wird der sogenannte Kanon als das, was "immer, überall, von allen" geglaubt wurde, zitiert. Steht aber gar nicht da, und das ist wichtig! Wie Vinzenz nämlich in den folgenden Kapitel ausführt, ist der Kanon nicht kumulativ, sondern sukzessiv zu verstehen. Das heißt: Erst wenn das erste Kriterium nicht reicht, kommt das zweite ins Spiel, und das dritte interessiert erst, wenn die ersten beiden versagt haben. Richtig heißt es: "überall, immer, von allen".

Relevant werden diese Kriterien überhaupt erst dann, wenn eine Lehre in ihrer Rechtgläubigkeit umstritten ist. Normalerweise reiche zwar die Schrift vollkommen aus, aber leider hätten sich auch die Irrlehrer immer wieder auf die Schrift bezogen und besonders gerne schwer verständliche Stellen zur Begründung ihrer Lehre angeführt, indem sie sie in ihrem Sinne auslegten. Daher bedürfe es der kirchlichen Auslegung der Schrift, und wie man diese feststellt, dazu solle der Kanon dienen: Zunächst sei nach der einmütigen Lehre der Kirche in der Gegenwart zu fragen ("überall"). Ist diese nicht eindeutig festzustellen, dann müsse "das Altertum" befragt werden, wobei Vinzenz mit "Altertum" die Zeit meint, bevor die umstrittene Lehre aufkam ("immer"). Ist aber auch aus "dem Altertum" keine eindeutige Sicht auf die umstrittene Lehre zu gewinnen, dann müsse man nach einem Konzilsentscheid in dieser Frage suchen, und falls es den nicht gibt, müsse man wohl oder übel die Kirchenväter der Reihe nach durchgehen ("von allen").

Für uns heute ist diese Frage sehr viel einfacher zu bearbeiten. Anders als Vinzenz haben wir es heute relativ einfach, die verläßliche Lehre der Kirche zu bestimmen (Katechismus, vergleichsweise leicht zugänglich lehramtliche Äußerungen). Und damit könnte man es dann auch bewenden lassen, denn nach Vinzenz' Kriteriologie ist die Sache eigentlich erledigt.

Eigentlich: Wenn da nicht die Merkwüdigkeit wäre, daß Vinzenz seine Dreiteilung nicht bis zum Ende durchhält, ja bereits bei der ersten Erläuterung das "ab omnibus"-Kriterium selbst noch einmal teilt, und bei genauerer Betrachtung seine eigentliche Kreativität nicht auf den "Kanon", sondern auf den Fortschritt verwendet hat. Ein Großteil des Commonitoriums ist nämlich völlig frei von eigenen Gedanken Vinzenz', nur die griffige Formulierung geht auf ihn zurück (der Rest steht schon bei Tertullian und Irenäus von Lyon), praktisch ohne traditionsgeschichtlichen Vorläufer ist aber das Kapitel 23.

Dieses Kapitel 23 behandelt die Frage, ob es unter den Voraussetzungen des "Kanons" überhaupt eine Entwicklung geben könne, oder ob immer alles beim Alten bleiben müsse. Vinzenz verneint diese Frage. Es gäbe sehr wohl Entwicklung, ja sogar echten Fortschritt in der Lehre, nur dürfe diese nicht einen Bruch mit der früheren Lehre darstellen, sondern ein natürliches Wachstum bereits angelegter Samen darstellen. Ausgerechnet diese Stelle ist auch die einzige, die jemals höchstlehramtlich zitiert wurde, nämlich durch das I. Vatikanische Konzil.

Wat also sacht uns dit janze? Das eigentliche Kriterium für Vinzenz war, so scheint es, die wesentliche Übereinstimmung der gegenwärtigen Lehre mit dem Ursprung, und wie diese Übereinstimmung dem Wesen nach bestimmt werden kann, verrät weniger der Kanon als vielmehr die Anwendungsbeispiele im Commonitorium selbst: Treue zur Kirche aller Zeiten. Als ich darüber meine Diplomarbeit geschrieben habe (2004), hatte ich noch nicht viel von einer Hermeneutik der Kontinuität gehört. Aber eigentlich ist das genau das, was Vinzenz in seinem Commonitorium entwickelt.

Aushilfe

Da Phil ein wenig schwächelt, muß ich wohl oder übel aushelfen, obwohl Crustcore nicht gerade mein Spezialgebiet ist:



Dienstag, 24. April 2012

Die Sprache christlicher Nächstenliebe, vorblogoezesan

...und wenn es einer wagt, böse Dinge bei ihrem eigenen Namen zu nennen, indem er das sie genau bezeichnende Wort gebraucht, dann kommen die verwanzten Kultur- und Zeitkritiker oder jene Schmierenkomödianten religiösen Schrifttums, diese brünstig gewordenen Allelujasänger, und versuchen dem verdutzten Publikum einzureden, man hätte sich 'im Ausdruck vergriffen', bloß weil man diese Wölfe im Schlafpelz[sic!] begriffen hatte und als das, was sie sind, bezeichnet hat.
François Petit OP in: Ders./Diether Wendland: Das Böse, das Übel und die Sünde; Aschaffenburg: Pattloch 1959, 70.

Donnerstag, 19. April 2012

Urheberrecht, die drölfzigste

Es gibt Juristen, die der Meinung sind, das Einbetten von Videos aus einer Video-Plattform könne selbst ein urheberrechtlicher Mißbrauch sein. Ich bin kein Jurist. Aus diesem Grund kann ich weder die zugrundeliegende Argumentation nachvollziehen noch die Lage in Bezug auf die von mir eingebetteten Videos beurteilen.[1]

Das hat allerdings einen ganz einfachen Grund: YouTube teilt mir als Nutzer zwar mit, wenn es Videos aufgrund von Urheberrechtsverletzungen sperrt, aber nicht, wenn die urheberrechtlich geschützten Inhalte vom Rechteinhaber genehmigt wurden. Vielmehr erklärt derjenige, der ein Video hochlädt, daß er die Rechte an dem Video selbst besitzt oder sie eingeholt hat. Woran der Endnutzer jetzt erkennen soll, ob er ein Video legal einbinden kann oder nicht, bleibt mir ein Rätsel. Eine "offenkundig rechtswidrige Quelle" ist YouTube ja nun nicht, oder?!

Hinzu kommt noch die aus Nutzersicht geradezu absurde Situation, die aus dem Streit zwischen der GEMA und YouTube entsteht. Eine ganze Reihe von Liedern, insbesondere im Metalbereich, gibt es bei YouTube im Kanal der Plattenfirma. Als Rechtslaie sollte man schon davon ausgehen können, daß ein von der Plattenfirma eingestelltes und zum Einbetten freigegebenes Video urheberrechtlich bedenkenlos eingebettet werden könnte. Leider ist das nicht der Fall: In fast allen Fällen war das Streaming über deutsche Hosts mit Verweis auf die Streitigkeiten mit der GEMA durch YouTube gesperrt.

Honi soit qui mal y pense: Die GEMA vertritt Künstler und die Plattenfirmen hinsichtlich der Zweitverwertungsrechte. YouTube sperrt aber vorrangig die Videos der Plattenfirmen, und nicht auch alle andere Videos mit derselben Musik, obwohl das nur konsequent (und unabhängig von der Frage, ob die Plattenfirmen der Nutzung zugestimmt haben) wäre. (Wobei das GEMA-Sperren teilweise so willkürlich wirkt, daß man sich schon fragen könnte, ob da nicht ein Zufallsalgorithmus für das Sperren von Videos zuständig ist. Nur mal so als Beispiel: Letztens war ein und dasselbe Metal-Video beim deutschen Kanal einer Plattenfirma gesperrt, konnte aber problemlos über den englischen Kanal derselben Plattenfirma angeschaut werden. *kopfschüttel*) Es liegt irgendwie der Verdacht nahe, daß YouTube die Plattenfirmen dazu drängen will, ihrerseits auf die GEMA Druck auszuüben, ihre Forderungen herunterzuschrauben. Die Dummen sind dabei nicht einmal so sehr die YouTube-Nutzer, die ja auf die Videos von anderen Nutzern (oder auf anderen Portalen, die sich mit der GEMA geeinigt haben) zurückgreifen können, obgleich sie sich damit in eine urheberrechtlich unklare Situation begeben. Die Dummen sind tatsächlich die Künstler, denen die Forderungen der GEMA zugute kämen.

Und in der öffentlichen Diskussion werden alle, die das deutschen Urheberrecht für dringend reformbedürftig halten, abgestempelt, sie würden gegen die Verdienstmöglichkeiten der Künstler kämpfen. Verkehrte Welt!

===
[1] Als ich diesen Beitrag schon fertiggeschrieben hatte, bin ich nochmal ein wenig auf die Suche gegangen -- und dabei auf dieses Fundstück gestoßen:
"Die Verlinkung urheberrechtlich geschützter Bilder mittels Frames oder als 'Deep-Link' direkt auf die Bild-Datei ist keine Urheberrechtsverletzung." (LG Hamburg, Urteil v. 26.09.2008, Az. 308 O 42/06)

Obwohl auf den ersten Eindruck gegensätzlich bestätigt auch das LG München, daß die Einbindung von YouTube-Videos keine Zugänglichmachung nach §19a UrhG sein kann, denn entscheidendes Argument, mit dem zwischen zulässigen Deep-Links und unzulässigem Framing unterschieden wird, ist der Eindruck, der beim Nutzer der Website erweckt wird (genau auf diese Argumentation stützt sich auch das LG Hamburg):
Es "ist danach zu fragen, ob der Ersteller eines Webauftritts sich fremde Inhalte in einer Weise zu eigen macht, dass für den gewöhnlichen Nutzer die Fremdheit nicht mehr in Erscheinung tritt. [...] Verlinkt der Domaininhaber seine Webseite dagegen in einer Weise mit den Seiten anderer Anbieter, dass die Fremdheit dieser Angebote für den Nutzer deutlich erkennbar bleibt, so haftet er - egal ob es sich um einen Link auf die Homepage eines Dritten oder auf eine Unterseite von dessen Auftritt (deep-link) handelt, nur nach den Grundsätzen, die der BGH in der Schöner-Wetten-Entscheidung aufgestellt hat" (LG München I, Urteil vom 10.01.2007 - Az. 21 O 20028/05).
Bei YouTube-Videos steht ja nun deutlich genug YouTube drauf, so daß die Fremdheit eindeutig erkennbar ist. Hinzu kommt noch, daß es hier keine "(vom Nutzer der Seite nicht willkürlich beeinflusste, sondern allein vom Ersteller der Website veranlasste) Zulieferung der Datei von einem beliebigen Ort im Internet" (aus dem Volltext der Entscheidung, Entscheidungsgründe, II., 1. b), bb) aaa)) gibt, denn der Nutzer muß das Abspielen des Videos (wie bei einem Link durch Anklicken) selbst veranlassen.

Dem steht auch nicht der 7. Leitsatz entgegen, der besagt, daß der framende Zweitnutzer mit dem Erstverletzer zusammen für die Rechtsverletzung haftet. Denn im Volltext heißt es genauer:
"Während derjenige, der fremde Inhalte framed, somit die Verantwortung für das Bestehen ausreichender Nutzungsrechte hieran übernimmt, haftet derjenige, der einen deep-link setzt, regelmäßig erst dann, wenn er hinsichtlich der fehlenden Nutzungsbefugnis an dem fremden Werk in schlechtem Glauben ist." (Ebd., Entscheidungsgründe, II., 1. b), gegen Ende)
Im Sinne des Unterscheidungskriteriums zwischen Framing und Deep-Link ist ein eingebettetes YouTube-Video als ein Deep-Link zu beurteilen. Der Nutzer, der ein YouTube-Video einbettet, müßte also schon mindestens ahnen, daß es sich um eine Rechtsverletzung handelt, um selbst haftbar gemacht werden zu können. Das kann man -- aber IANAL... -- eigentlich nur dann annehmen, wenn das Video mit dem Kommentar versehen ist: "Ich habe keine Rechte an diesem Video." (Gibt's wirklich!) Denn das ist ein offensichtlicher Verstoß gegen das deutsche Urheberrecht (und wenn ich mich nicht irre, auch gegen die YouTube-AGB), der bei YouTube etwa aufgrund der Fair Use-Regelung in den USA durchaus legal sein könnte, solange das Video nicht in Deutschland abgerufen wird.

Summa summarum: Selbst die schlechtesten Neuscholastiker des späten 19. Jahrhunderts waren in der Frage nach der Zahl der Engel, die auf eine Nadelspitze passen (eine Belegstelle für diese Frage habe ich übrigens auch noch nicht gefunden, aber das nur am Rande), nicht so spitzfindig, wie man es beim Urheberrecht im Internet sein müßte, um rauszufinden, ob man das, was alle machen, überhaupt machen darf. Noch ein Grund, warum wir eine Reform des Urheberrechts brauchen. Denn die Eingangs verlinkte Äußerung eines Rechtsanwalts auf der ARD-Seite ist beste Desinformation. Wie mir scheint. So genau kann man das ja irgendwie gar nicht sagen.

Dienstag, 17. April 2012

Aus gegebenem Anlaß

  1. Frauenordination und Zölibat liegen theologisch auf ganz unterschiedlichen Ebenen. Die Diskussion über ihre jeweilige Berechtigung, Möglichkeit und Nützlichkeit muß getrennt geführt werden.
  2. Gemeinsam ist ihnen beiden aber, daß über sie bereits alles gesagt ist. Nur vielleicht noch nicht von jedem. (Wobei ich an letzterem zu zweifeln beginne...)
  3. Über die Frauenordination wurde bereits zwei Jahrzehnte diskutiert lang diskutiert, als Papst Johannes Paul II. unter Berücksichtigung der Fachdiskussion 1994 die als endgültig zu haltende Entscheidung verkündete, daß die Kirche keine Vollmacht habe, Frauen zu Priestern zu weihen.
  4. Diese Lehre wurde einmütig von allen nachkonziliaren Päpsten vertreten und kann sich auf eine ungebrochene Tradition von alters her berufen.
  5. Das Argument, daß Jesus aus rein zeitgebundenen Gründen nur Männer als Priester eingesetzt hat, verblaßt, wenn man sich die Formulierung genau ansieht: Die Kirche hat keine Vollmacht Frauen zu Priestern zu weihen.
  6. Das Wörtchen Vollmacht deutet auf den entscheidenden Aspekt hin: Bei der Priesterweihe handelt es sich um ein Sakrament.
  7. Sakramente sind von Christus eingesetzte Heilsmittel. Es gibt sie außschließlich aufgrund dieser Einsetzung.
  8. Nicht die Kirche spendet die Priesterweihe, sondern Christus durch die Hand Seines dazu von Ihm bevollmächtigten Bischofs. Der Bischof kann daher nur tun, wozu ihn Christus Selbst eingesetzt hat.
  9. Daher kann die Kirche nur die Menschen zu Priestern weihen, die gemäß der Einsetzung des Sakraments durch Christus fähig sind, die Weihe zu empfangen.
  10. Wenn es also keine ausdrückliche Bevollmächtigung zur Weihe von Frauen gibt -- was ganz offensichtlich der Fall ist, sonst müßte man ja nicht argumentieren, Christus habe sich hier allein nach den damaligen Konventionen gerichtet --, kann niemand eine Frau zum Priester weihen, da es Christus Selbst tun müßte.
  11. Selbst wenn sich also Christus bei der Einsetzung der Priesterweihe aus Rücksicht auf damalige gesellschaftliche Konventionen -- welch absurde Vorstellung, haben die Frauen in Seiner Nachfolge doch eine geradezu skandalöse Rolle gespielt! -- auf Männer beschränkt hätte, wäre diese Beschränkung für uns immer noch bindend. Die Motive sind uns nicht nur erkenntnistheoretisch entzogen, sie sind für uns auch völlig irrelevant: Wir haben die Sakramente nicht eingesetzt, wir können auch nicht nach Belieben über sie verfügen.
  12. Die Kirche kann zwar unter Umständen weitere Bedingungen für den Sakramentenempfang aufstellen und ihre Spendung verweigern, insbesondere bei individuell nicht heilsnotwendigen Sakramenten wie der Priesterweihe, aber sie kann die von Christus gemachten Einschränkungen nicht aufheben.
  13. Täte sie es, setzte sie sich über die fehlende Vollmacht hinweg und versuchte Frauen zu Priestern zu weihen, dann passierte schlicht und ergreifend -- gar nichts!
  14. Es gäbe dann mit kirchlicher Autorität vermeintlich geweihte Priesterinnen, die scheinbar in persona Christi handeln könnten, tatsächlich aber nicht geweiht wären, weil Christus Sich zwar in Seiner Freiheit eingeschränkt und an die kirchliche Handlung gebunden hat (also nicht an der Kirche vorbei weiht), sich aber durch nichts und niemanden zwingen lassen kann, das Sakrament nach Lust und Laune der Kirche auszuweiten (also die Kirche nicht ohne Christus weihen kann).
  15. Das wäre das Ende des Weihepriestertums. Spätestens wenn Frauen auch zu Bischöfen geweiht werden, könnte niemand mehr sicher sein, ob der PriesterIn da vorne tatsächlich Priester Jesu Christi ist oder nicht. Wer Sakramente von diesen SimulationspriesterInnen "gespendet" bekäme, hätte sie tatsächlich nicht empfangen.
  16. Wer Frauen ordinieren will, kann daher konsequenterweise nur das Weihepriestertum abschaffen.
  17. Daher gehört die Unmöglichkeit der Priesterweihe von Frauen tatsächlich zum unaufgebbaren Kern des christlichen Glaubens. Denn diese Frage betrifft tatsächlich, wie es Johannes Paul II. formulierte, "die göttliche Verfassung der Kirche selbst".

Donnerstag, 12. April 2012

Bildungsveranstalung

Als ob ich es mit meinem gestrigen Posting beschworen hätte, erreichte mich heute über Facebook folgendes Video mit der Bitte, die Fragen des Anrufers richtig zu stellen (Achtung! Massive Kopf-Tischkanten-Gefahr):


Eigentlich kann ich an den Fragen des Anrufers nichts richtigstellen. Die Fragen sind an sich richtig. Nur der Typ am Mikro redet sich um Kopf und Kragen (um das festzustellen reichen 45 Sekunden) und kann sie nicht adäquat beantworten.

Man muß ihm zwar zugute halten, daß auch alles, was ich im folgenden an theologischen Überlegungen wiedergebe, kein exaktes Wissen ist, sondern nur die Demonstration der Denkmöglichkeit dessen, was in der Bibel beschrieben wird. D.h. es muß nicht so sein, wie es sich die Theologie zu erklären versucht (wer hat schon Gott je gesehen?), aber das, was wir glauben, kann logisch widerspruchsfrei gedacht werden. Doch als Katholik kriege ich die Krise bei einem solch naiven Biblizismus, wie er hier zum Ausdruck kommt.

Zum Schriftverständnis

Nach katholischer Lehre ist die Bibel im Kontext ihrer Auslegung durch Raum und Zeit zu lesen. Diesen Kontext nennen wir Tradition und verstehen ihn als gleichrangige Offenbarunggsquelle. Entscheidend ist nicht, was da in der Bibel steht, sondern was in Jesus Christus geschehen ist. Deswegen spricht der Papst auch ständig davon, daß das Christentum keine Buchreligion sei. Im Gegensatz zum Koran ist die Bibel nicht selbst unmittelbar von Gott offenbart, sondern Menschen haben sie als Zeugnis von der Selbstoffenbarung Gottes verfaßt, wenngleich wir glauben, daß sie durch den Beistand Gottes daran gehindert wurden, völligen Schwachfug zu schreiben.

Zur Trinität:

Drei Personen, zwei Hervorgänge, ein Gott. Ein Gott in drei Personen, das heißt jede Person ist ganz Gott, aber eben nur in den Beziehungen zu den anderen Personen; d.h. die Person für sich wäre nicht Gott, wenn sie nicht mit den anderen beiden Personen in Beziehung stünde. Denn in Gott gibt es zwei Hervorgänge: Der Sohn geht aus dem Vater hervor, und der Heilige Geist geht aus dem Vater und dem Sohn hervor. Diese zwei Hervorgänge etablieren die drei Personen: Der Vater wäre nicht der Vater, wenn aus Ihm nicht der Sohn und der Heilige Geist hervorgingen; der Sohn wäre nicht der Sohn, wenn Er nicht aus dem Vater hervorginge und der Heilige Geist aus Ihm hervorginge; und der Heilige Geist wäre nicht der Heilige Geist, wenn er nicht aus dem Vater und dem Sohn hervorginge.

Oder einfacher gesagt: Als Christ glaube ich an einen Gott, der in sich Beziehung, reine, selbstlose Liebe ist. Im Islam hat Gott nur Beziehungen zu seinen Geschöpfen. Aus christlicher Perspektive ist dieses Gottesbild nicht vollkommen, weil Gott hier auf die Beziehung zu seinen Geschöpfen angewiesen ist. Daraus ergibt sich auch eine ganz andere Gottesbeziehung, nämlich (um es mal drastisch auszudrücken) die zwischen Herr und Sklave.

Im Christentum ist diese Beziehung mehr. Auch hier gilt zwar: die Beziehung zwischen dem Schöpfer und Seinem Geschöpf ist durch eine unendliche Unterschiedlichkeit geprägt, wir stehen selbstverständlich auch nicht auf einer Ebene mit Gott. Aber sie ist -- durch Jesus Christus -- mehr:
"Ich nenne euch nicht mehr Knechte; denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt; denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe." (Joh 15,15)
Mit anderen Worten: Durch die Menschwerdung des Sohnes läßt Gott den Menschen an Seinem Wesen, das eben in Beziehung, in Liebe besteht, teilhaben -- und zwar gnadenhalber. Der Mensch hat weder einen Anspruch noch von sich aus eine Möglichkeit, an dieser Liebe teilzuhaben, sondern muß sich diese Vergöttlichung schenken lassen.

Zum Kreuz:

Jesus Christus war wahrer Gott und wahrer Mensch, da kommt also noch mehr dazu als nur Gott. Zwar sagt man auch, daß Gott am Kreuz gestorben ist, aber da Gott nicht sterben kann (er ist ewig), ist das keine exakte, sondern eine analoge Aussage: Insofern in Jesus Christus der Sohn Mariens und der Sohn Gottes eins sind, kann man von der zweiten göttlichen Person (und damit, s.o., von Gott selbst) sagen, daß sie (und damit Er) in Jesus Christus am Kreuz gestorben ist. Zu sagen, wenn Gott tot ist, dann hätte doch die Welt aufhören müssen zu existieren, setzt Zeitlichkeit in Gott voraus.

Auch hätte Jesus sich machtvoll der Kreuzigung wiedersetzen können. Aber wie hätte das mit Seinem Auftrag zusammengepaßt, den Menschen die Liebe Gottes (s.o.: Kenchte oder Freunde) zu bringen?

Zur Sündenvergebung

Ja, er ist für unsere Sünden gestorben, und ja, auch die Juden, die ihn ans Kreuz gebracht haben, können gerade durch das Kreuz ins Paradies gelangen -- aber nicht automatisch, sondern eben durch Annahme des Geschenkes (s.o.). Christus war zu den Juden als Volk gesandt. Trotz einigen Erfolgs hat sich auch ein Teil des Volkes, vor allem die Führungsriege, dieser Sendung widersetzt. Daher ist das Kreuz sozusagen der Plan B Gottes -- wie das Geschenk dennoch zu den Menschen, jetzt aber nicht mehr durch die Zugehörigkeit zum jüdischen Volk, sondern durch die individuelle Annahme des Geschenks in der Taufe, die ein Mitgekreuzigt- und Mitauferstehen mit Christus ist (also genau jene Vergöttlichung durch das Geschenk der Liebe).

Gott liebt jeden Menschen. Das heißt aber nicht, daß Er alles liebt, was der Mensch tut. Gott haßt die Sünde, die im Kern eine Abwendung von Gott ist. Insofern kann man auch sagen, daß Gott den Sünder haßt, insofern und so weit er die Sünde tut, aber ihn liebt, insofern er Sein Geschöpf ist. Gerettet werden kann, wer sich seine Schuld durch Gott vergeben läßt.

Zum alttestamentarischen Gesetz


a) Die Kultgesetze (Reinheits- und Opfervorschriften) sind durch Christus aufgehoben. Das Kreuzesofper (und seine unblutige Vergegenwärtigung in der Messe) haben den mosaischen Kult ersetzt.

b) Die Kollektivgesetze (also die, die das zusammenleben des Volkes Gottes regeln) haben durch die Schaffung des neuen Volkes Gottes (durch das Kreuz: s.o., nicht mehr die Zugehörigkeit zum jüdischen Volk, sondern die Annahme des Kreuzes ist entscheidend) ihre Grundlage verloren. Hier gehören auch die Strafvorschriften (Wer seine Mutter schlägt, soll des Todes sein) hin. Sie haben aber als Hinweis auf die Folgen der Sünde nach wie vor ihre Funktion ("soll des Todes sein" nicht als Strafvorschrift verstanden, die durch den Menschen umgesetzt werden soll, sondern als Hinweis auf die Folge der Sünde, die einfach unmittelbar aus dem Tun selbst geschieht: die Trennung von Gott, die nach der Offenbarung des Johannes "der zweite Tod" ist, der ewige, die Tradition nennt diesen Ort der ewigen Gottesferne die Hölle).

c) Die Individualvorschriften wie die 10 Gebote gelten nach wie vor weiter, sind aber in Bergpredigt und Liebesgebot auf eine neue Ebene gehoben. Es geht nicht darum, ihren Wortlaut zu erfüllen, sondern ihren Sinn, der sich eben nicht in der Erfüllung ihrer Minimalforderung erschöpft, sondern eher maximal zu verstehen ist -- wie eben in der Bergpredigt:
"Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt worden ist: Du sollst nicht töten; wer aber jemand tötet, soll dem Gericht verfallen sein. Ich aber sage euch: Jeder, der seinem Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht verfallen sein; und wer zu seinem Bruder sagt: Du Dummkopf!, soll dem Spruch des Hohen Rates verfallen sein; wer aber zu ihm sagt: Du (gottloser) Narr!, soll dem Feuer der Hölle verfallen sein." (Mt 5,21f.)

Zum Peter-Jürgen-Scheiß am Ende

Peter ist auch Peter ohne Jürgen und Jürgen ist Jürgen ohne Peter. Aber Gott Vater ist nicht Gott Vater ohne Gott Sohn und ohne Gott, den Heiligen Geist. Gott Vater ist nicht Gott Sohn und Gott Sohn nicht Gott Vater und Gott der Heilige Geist ist nicht Gott Vater und auch nicht Gott Sohn. Sie alle sind Gott. Der eine nicht ohn den anderen, aber jeder ist in seiner Beziehung zu den anderen beiden ganz Gott. Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich.

Fazit

Drum sei mir dieses geguttenbergte Zitat erlaubt: Roses are gay, violets are gayer, fuck this bullshit and listen to Slayer. Die haben wenigstens mehr Niveau.

Mittwoch, 11. April 2012

Auf Sand gebaut?

Irgendwann in den nächsten zwei bis drei Jahren dürfte ich mein zwanzigjähriges Internetjubiläum haben. Am Anfang war es ein großes Spielzeug, eine Möglichkeit, andere Bekloppte kennenzulernen, was bei mir damals eher mit Al Bundy als mit Jesus Christus zu tun hatte... Richtig spannend wurde es erst nach der Entdeckung des Usenets (Foren waren mir mit 'nem Modem einfach zu langsam, und umständlich finde ich sie heute noch; bei den sozialen Netzwerken fehlt mir das "hierarchische Element" ;-). Und damit begann auch mein "Beklopptheitswandel" zu mehr Glaubensdiskussionen.

Meine Erfahrung war ziemlich schnell, vor allem in der Auseinandersetzung mit Freikirchlern, daß es uns Katholiken zum einen ganz mächtig an Faktenwissen mangelt, zum anderen aber an einer spezifischen Katholiziät in der Argumentation. Wenn ich mich auf eine Diskussion mit einem Freikirchler einlasse, ohne mir bewußt zu sein, daß ich seine Voraussetzung der rein biblischen Argumentation nicht teile, dann habe ich früher oder später das Problem, daß ich ihm die katholische Lehre nicht erklären und schon gar nicht begründen kann. Denn ich argumentiere ja gar nicht katholisch, sondern freikirchlich. Wie soll da also was Katholisches bei rumkommen? Zum Glück gab es da immer auch ein paar besonders "Bekloppte", die genau diese Diskrepanz thematisierten: "Klar, unter deinen Voraussetzungen kann man das gar nicht anders denken. Aber wir Katholiken haben andere Voraussetzungen. Und daß nur die Schrift allein zähle, läßt sich mit ihr selbst gar nicht begründen. Wohl aber die Tradition, denn die ist älter."

In den Folgejahren habe ich das dann anzuwenden versucht. Die neue Erfahrung war: Wenn man wirklich von den Grundlagen bis zu den Details katholisch argumentiert, erreicht man zwar nicht unbedingt Zustimmung, schon gar nicht existentielle, aber doch selbst von bekennenden Atheisten Respekt für die (wider Erwarten?) vorhandene innere Logik des christlichen (katholischen) Glaubens. Und manchmal auch mehr.

Reißt man aber auch nur an einer kleinen, nach der Hierarchie der Wahrheiten vermeintlich unbedeutenden Stelle ein notwendiges Element der Lehre heraus, bricht über kurz oder lang das ganze, über knapp 2000 Jahre sorgsam austarrierte Gebäude zusammen. Eine Zeitlang wird man mit wilden Stützbauten den Zusammenbruch noch aufhalten können, aber für diese Stützbauten muß man weitere tragende Elemente abtragen, die dann ihrerseits Stützbauten brauchen. Schließlich werden diese Stützbauten aber nicht mehr auf dem tragenden Fundament stehen, das Christus selbst ist. Spätestens dann wird einem die ganze Bautätigkeit um die Ohren fliegen.

Liegt also die gegenwärtige Schwäche der katholischen Kirche (im deutschsprachigen Raum) zu einem nicht ganz unwesentlichen Teil nicht daran, daß schon die Grundlagen nicht bekannt sind und intuitiv eher protestantisierende Selbstverständlichkeiten für katholisch gehalten werden? Erst kürzlich hatte ich eine Diskussion in eigentlich bewußt-katholischem Kontext. Die Mitdiskutanten haben den Vorwurf des Protestantisierens entrüstet von sich gewiesen. Und doch lief da immer untergründig so eine unkatholische "Fortschrittsfeindlichkeit" mit, nach der eine Lehre, die erst im Mittelalter entstand und heute nochmals ganz anders ausehe als zu ihrer Entstehung, ja nicht so wichtig sein kann. Tja, und es kam wie es kommen mußte: Nachdem diese Lehre über Bord gegangen war, wurden auch gleich weitere Lehren, mit denen ich argumentieren wollte, als offenbar "nicht mehr zeitgemäß" (oder so) abgelehnt. "Ad Fontes" in allen Ehren -- aber wo bleibt da der "Geist, der uns in alle Wahrheit einführen wird"?

Mich macht das immer ein wenig traurig. So wird das jedenfalls nichts mit der Neuevangelisierung...

Dienstag, 10. April 2012

hyperref

Der Herr ist auferstanden! Und ich hatte gestern noch ein besonderes Auferstehungserlebnis:

Vor dem hyperref-Paket hatte ich immer tierischen Horror. Zu oft habe ich gelesen, daß man aufpassen muß, wie und an welcher Stelle man es einbaut, weil es so viele Makros auch aus dem LaTeX-Kern umdefiniert. Zu viele Schwierigkeiten hatte ich bereits mit dem Zusammenwirken von weniger komplexen Paketen. Zu lang war mir die Dokumentation, die aus mehreren ineinander verschachtelten PDFs besteht. Und solange es eh nur um die Druckvorlage für das einzureichende Manuskript ging, hatten klickbare Links im PDF auch keinen praktischen Sinn.

Jetzt aber geht es um die Druckvorstufe, aus der der Verlag auch gleich noch das E-Book bastelt -- und eins der Formate wird schlicht und ergreifend PDF sein. Da der Adobe-Reader offenbar aus allem, das mit http: beginnt und wie eine URL aussieht, einen anklickbaren Link macht (zumindest wenn die Schriften korrekt eingebettet sind), aber Zeilenumbrüche als Ende des Links interpretiert, so daß die Links ins Nirvana führt, war es nun keine wirkliche Option mehr, das alles so zu lassen, wie es ist.

Alles andere war schon fertig, aber das wurmte mich noch. Ok, in kleineren, für den online-Gebrauch vorgesehenen Dokumenten hatte ich hyperref bereits erfolgreich verwendet, aber in einem Dokument, in dem zahlreiche Pakete und eigene Makros[1] zum Teil nur fragil miteinander zum Funktionieren gebracht wurden, und eigentlich schon fertig ist? Μὴ γένοιτο!

Ich hab's dann doch gemacht. Gestern nachmittag bin ich im Geiste nochmal durchgegangen, was eigentlich noch zu tun ist. Irgendwie kam mir dabei der Gedanke an hyperref gar nicht mehr so schrecklich vor, und was sollte schlimmstenfalls passieren? Mehr als hinterher genausoweit wie vorher zu sein, ging doch gar nicht.

Habe ich mich also drangesetzt, einfach mal \usepackage{hyperref} in die Präambel geschrieben und zitternd auf "Ausgabe erstellen" geklickt. Meine schlimmsten Befürchtungen wurden wahr. Nach 100 Fehlern hat pdflatex den Kompilierungsversuch dann einfach mal abgebrochen. Nach nur zwanzig Seiten hat sich hyperref an einem selbsterstellten Makro aufgehängt.

Glücklicherweise hatte ich gestern die Ruhe und die Nerven, nicht gleich vor Schreck alles wieder rückgängig zu machen, sondern den Fehler beheben zu versuchen. Was ein guter Plan war: Wie sich zeigte, war das der einzige Fehler, und bei genauerer Betrachtung war es nur ein einziges Paket, das Schwierigkeiten machte -- weil es versuchte, mit hyperref besser zusammenzuarbeiten, als ich es wollte. Die entsprechende Standardeinstellung umgebogen -- und fertig! Keine Fehler, keine Warnungen. Noch ein paar Feinarbeiten, und alles sah so aus, wie ich es mir nur in meinen kühnsten Träumen gewünscht hatte.

Lange Rede, kurzer Sinn: Nach gerademal dreieinhalb Stunden hatte ich hyperref bis in die Details hinein erfolgreich eingebunden. Auch eine Form von Ostern :-)

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[1] In den Naturwissenschaften scheint wohl keiner mehr echte Tafeln zu verwenden, sondern entweder Abbildungen, die nicht über eine Seite hinausgehen, oder Tabellen. Als ich den Wizards mein Problem schilderte, kein Paket gefunden zu haben, mit dem ich meine zum Teil nicht auf eine Seite passenden Songtextübersetzungen als gleitendes Objekt einbinden kann, habe ich nur Unverständnis hervorgerufen. Wozu braucht man denn sowas? Was sind denn Tafeln[2]? Klare Antwort: Das, was ihr benutzt, um Tabellen einzubinden, sind eigentlich Tafeln, in die ihr dann eine Tabelle setzt. -- Aha. Dann nimm doch longtable. -- Ja, super. Genau das ist doch das Problem: longtable müßte eigentlich longtabular heißen, denn es setzt überlange Tabellen (und zwar nicht als Fließobjekte!), nicht fließende, überlange Tafeln.

[2] Die deutschsprachige Wikipedia kennt wenigstens neben der Bildtafel auch noch die Zeittafel und damit einen Anwendungsfall von Tafeln im Drucksatz, der sich über mehrere Seiten erstrecken kann[3]. Einen Überbegriff "Tafel (Drucksatz)" gibt es aber nicht. Die englische leitet Tabular gleich nach Table (information) weiter, unter denen sie ausschließlich Tabellen versteht... Demnach gäbe es im englischsprachigen Raum noch nicht einmal eine Möglichkeit, meinen Anwendungsfall ohne lange Erklärungen in Worte zu fassen...

[3] Der Artikel verlinkt auf einen englischen Eintrag namens Timeline. Der kennt aber, obwohl der deutschsprachige Eintrag ausgerechnet die Encyclopedia Britannica als Erstverwender solcher Tafeln nennt, gerade keine mehrseitigen Timelines. Und wenn man ganz korinthenkackend drauf sein will, kann man selbst bei der Zeittafel sagen, hier kommt man auch mit longtable hin, man muß halt nur darauf verzichten, sie fließen zu lassen (argh!). Falls also jemand immer noch die Existenz des Anwendungsfalls einer mehrseitigen Tafel jenseits meines Spezialproblems in Zweifel ziehen will: Versuch mal komplexe Verwandtschaftsbeziehungen etwa in einem Herrschergeschlecht über mehr als zwei, drei Generationen ohne Auslassen (vermeintlich) unwichtiger Nebenlinien auf einer Seite unterzubringen...