Dienstag, 8. Mai 2012

Liebe Leser,

anläßlich des 33. Geburtstages der New Wave of British Heavy Metal habe ich mir ein Herz gefaßt und meinen Umzug übers Knie gebrochen. Ab jetzt lest Ihr mich auf meiner reaktivierten eigenen Domain. Bitte updated eure Abos!

Wer sich in der dortigen Blogroll vermißt, maile mich bitte an, ich habe irgendwann ein wenig den Überblick verloren und habe den einen oder anderen Umzug nicht mitgemacht. Dieser Blog bleibt bestehen, schon alleine, weil ich einer ganzen Reihe von portierten Posts noch die Adresse hartcodiert auf blogspot.com verweist.

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Montag, 7. Mai 2012

What's wrong with this picture?!

Ich wußte ja schon immer, daß man auf Latein Dinge sehr viel knapper ausdrücken kann als auf Deutsch:

...et universo clero. ...und mit allen Männern und Frauen, allen Kindern und Jugendlichen, die ehrenamtlich oder hauptamlich einen Dienst in der Kirche verrichten.

Freitag, 4. Mai 2012

Sondergut Judas

Denn die Einwohner von Jerusalem und ihre Führer haben Jesus nicht erkannt, aber sie haben die Worte der Propheten, die jeden Sabbat vorgelesen werden, erfüllt und haben Ihn verurteilt.
(Apg 13,27, aus der heutigen Lesung)
Ich habe mich immer gewundert, warum Matthäus nach dem Ende des Judas (3 Verse) noch so viel über das Blutgeld (5 Verse) schreibt (Mt. 27,3-10). Die Verwunderung wird nicht unbedingt geringer dadurch, daß es auch eine -- abweichende -- lukanische Variante aus dem Munde Petri gibt (Apg 1,16-20). Auffällig ist aber an beiden Stellen, daß sie auf ein Schriftzitat zulaufen. Es geht also nicht so sehr um Judas als um eine theologische Aussage, die sich im Schriftzitat zuspitzt. Das ist bei der Apostelgeschichte recht einfach: Über "sein Gehöft soll veröden" (Ps 69,26) kommt Petrus zu "sein Amt soll ein anderer erhalten" (Ps 109,8).

Ok, das ist für heutige Zitierstandards etwas schwach begründet, mal eben 40 Psalmen weiterzuspringen. Allerdings war das damals etwas anders. Es handelt sich eben nicht um Steinbruchexegese, sondern es ist immer auch der ganze Psalm gemeint. Und dann paßt es in der Petrusrede doch halbwegs zusammen, wenn auch eher assoziativ: Beide Psalmen lassen sich auf das Verhältnis Judas -- Jesus hin lesen, wobei Ps 69 eher die jesuanische Perspektive und Ps 109 die des Judas in den Vordergrund stellt.

Tja, und von dieser Erkenntnis ausgehend, habe ich mich dann mal dem Schriftzitat in Mt 27,9f. gewidmet. In der gedruckten Fassung sind die Schriftzitate ja convenient in kursiv hervorgehoben und die Quellen am Ende des Abschnitts angegeben.

Erste Überraschung: Was da von Matthäus etwas leichtfertig Jeremia zugeschrieben wird, entpuppt sich als "freie Verbindung von Stellen aus Sacharja, Jeremia und Exodus" (Fn. zu 27,9), genauer: Sach 11,12f., Jer 18,2f., 32,8f. und Ex 9,12 in der griechischen Übersetzung der Septuaginta.

Zweite Überraschung: Das Zitat ist bei genauerer Betrachtung mit Hilfe der EÜ nirgendwo zu finden. Es handelt sich eher um Assoziationen (siehe die Petrusrede in Apg) als um Belegstellen:
Mt 27,9f. Sach 11,12-13 Jer 18,2f. Jer 32,8f. Ex 9,12
9So erfüllte sich, was durch den Propheten Jeremia gesagt worden ist: Sie nahmen die dreißig Silberstücke -- das ist der Preis, den Er den Israeliten wert war -- 10und kauften für das Geld den Töpferacker, wie mir der HErr befohlen hatte. 12Ich sagte zu ihnen: Wenn es euch recht scheint, so bringt mir meinen Lohn; wenn nicht, so laßt es! Doch sie wogen mir meinen Lohn ab, dreißig Silberstücke. 13Da sagte der HErr zu mir: Wirf ihn dem Schmelzer hin! Hoch ist der Preis, den Ich ihnen wert bin. Und ich nahm die dreißig Silberstücke und warf sie im Haus des HErrn dem Schmelzer [andere übersetzungsmöglichkeit: ins Schatzhaus] hin. 2Mach dich auf und geh zum Haus des Töpfers hinab! Dort will Ich dir Meine Worte mitteilen. 3So ging ich zum Haus des Töpfers hinab. Er arbeitete gerade mit der Töpferscheibe. 8Tatsächlich kam Hanamel, der Sohn meines Onkels, dem Wort des HErrn gemäß zu mir in den Wachhof und sagte zu mir: Kauf doch meinen Acker in Anatot [im Land Benjamin]; denn du hast das Erwerbs- und Einlösungsrecht. Kauf ihn dir! Da erkannte ich, daß es das Wort des HErrn war. 9So kaufte ich von Hanamel, dem Sohn meines Onkels, den Acker in Anatot und wog ihm das Geld ab; siebzehn Silberschekel betrug die Summe. 12Aber der HErr verhärtete das Herz des Pharao, so daß er nicht auf sie hörte. So hatte es der HErr dem Mose vorausgesagt.
Ich habe die Parallelen großzügig farblich hinterlegt, also nicht kleinkarriert leichte grammatikalische Abweichungen unberücksichtigt gelassen. Bei der Ex-Stelle ist Übereinstimmung im Griechischen allerdings tatsächlich 100%. Mit farbigem Text habe ich die weiteren Parallelen zu der Judas-Perikope markiert.

Es wird sehr deutlich, daß die Bezüge zu Jeremia eher marginal sind, die zum Sacharja-Text aber sehr groß. Hat Matthäus also Jeremia und Sacharja verwechselt und den Rest dazufabuliert? Eher unwahrscheinlich. Denn der Sacharjatext liegt der ganzen Vorpassionsgeschichte zugrunde. Bis auf den Teil mit dem Kauf des Töpferackers findet man die gesamte Judas-Perikope bei Sacharja, und auf die dreißig Silberstücke legte Matthäus bereits im Kapitel zuvor großen Wert. Er wird also schon gewußt haben, daß er hier Sacharja zitiert und nicht Jeremia.

Wahrscheinlicher scheint mir, daß er wegen der eher marginalen Bezüge ausdrücklich auf Jeremia hingewiesen hat. Denn die Bezüge kann man leicht übersehen, handelt es sich doch im wesentlichen nur um den Namen "Töpferacker". Die damit angesprochenen Stellen bei Jeremia sind aber wichtige prophetische Reden (Töpfergleichnis) bzw. Taten (prophetischer Ackerkauf)! Im Gegensatz zum Exodus-Bezug, der wirklich eher marginal (obgleich es sich um eine zentrale Stelle handelt) ist, können sie kein Zufall sein, denn der Name "Töpferacker" spielt sonst nirgendwo eine Rolle.

Hinzu kommt noch, daß es sich hier -- abgesehen von Ps 22, der als Subtext die gesamte Passion bestimmt -- um das letzte Schriftzitat bei Matthäus handelt. Die Schriftzitate bei Matthäus sind bekanntlich zentral. Sie sollen Jesus als die Erfüllung der alttestamentlichen Prophetien erweisen, insbesondere in der Form des Reflexionszitats, das häufig mit "damit sich erfüllte" oder wie hier "so erfüllte sich" eingeleitet wird. Darauf verzichtet Matthäus in der Passion. Obwohl er dort auf Schritt und Tritt die Kreuzigung als Erfüllung des Psalms 22 deutet, überläßt er es Johannes (19,24), auf das Loswerfen um das Gewand als Schrifterfüllung hinzuweisen.

Man merkt wohl, worauf ich hinaus will: Die Perikope um das Ende des Judas und vor allem die Geschichte um das Blutgeld sind nach meinem Eindruck die matthäische (Voraus-)Deutung des Kreuzesopfers. Und die hat es in sich, wenn man die Bezugstellen des Reflexionszitats genauer und vor allem in ihrem Kontext unter die Lupe nimmt:

Sacharja 11
Hier ist die Rede von schlechten Hirten, deren prächtige Weiden zerstört sind, von Mächtigen, die vernichtet wurden. Von Käufern, die die gekauften Schafe ohne Strafe schlachten, und Verkäufern, die sich über ihren Reichtum freuen, aber keinerlei Mitleid mit den Schafen haben. So verkündet dann der HErr:
"Wahrhaftig, Ich habe kein Mitleid mehr mit den Bewohnern des Landes - Spruch des HErrn. Seht, jeden Menschen liefere ich seinem Nächsten aus und seinem König. Sie zerschlagen das Land und Ich rette es nicht aus ihrer Hand."
Als ob das, angewandt auf Judas oder vielmehr die Hohenpriester, nicht schon kraß genug wäre -- die Hohenpriester zerschlagen durch ihr Handeln das Land --, kommt das dicke Ende noch, nämlich in Sacharjas prophetischer Handlung. Er nimmt sich zwei Ruten, nennt sie "Freundlichkeit" und "Verbindung" und hütet damit die Herde. Die anderen Hirten werden seiner überdrüssig, was auf Gegenseitigkeit beruht, und er sagt:
Ich hüte euch nicht. Was im Sterben liegt, soll sterben; was sich verloren hat, sei verloren; und von den Übriggebliebenen soll einer des andern Fleisch fressen. Dann nahm ich meine Rute Noam [Freundlichkeit] und hieb sie in Stücke, um Meinen Bund zu zerbrechen, den Ich mit allen Völkern geschlossen hatte. So wurde er an diesem Tag zerbrochen.
Auf die fragliche Matthäusstelle angewendet kann das nichts andere bedeuten als: Im Kreuz beendet GOTT den Alten Bund!

Aber halt! Folgt nicht erst jetzt die Stelle mit dem Geld, die Matthäus tatsächlich zitiert? Oh ja, aber es wird nicht besser, im Gegenteil:
Danach hieb ich meine zweite Rute, Hobelim [Verbindung], in Stücke, um den brüderlichen Bund zwischen Juda und Israel zu zerbrechen. Der HErr sagte zu mir: Nimm nochmals das Gerät des nichtsnutzigen Hirten! Denn Ich lasse einen Hirten im Land auftreten. Um das Vermißte kümmert er sich nicht, das Verlorene sucht er nicht, das Gebrochene heilt er nicht, das Gesunde versorgt er nicht. Stattdessen ißt er das Fleisch der gemästeten Schafe und reißt ihnen die Klauen ab. Weh Meinem nichtsnutzigen Hirten, der die Herde im Stich läßt. Das Schwert über seinen Arm und über sein rechtes Auge! Sein Arm soll völlig verdorren, sein rechtes Auge soll gänzlich erblinden.
Hier ist nur noch von einem Hirten die Rede, und was hier zerbrochen wird, ist der Bund zwischen Israel (dem Gottesstreiter, also auf die Mt-Stelle bezogen wohl Jesus) und Judas.

Kraß, krasser, am krassesten. Aber noch lange nicht genug. Denn es geht weiter:

Töpfergleichnis
Jeremia beobachtet einen Töpfer:
Mißriet das Gefäß, das er in Arbeit hatte, wie es beim Ton in der Hand des Töpfers vorkommen kann, so machte der Töpfer daraus wieder ein anderes Gefäß, ganz wie es ihm gefiel. Da erging an mich das Wort des HErrn: Kann Ich nicht mit euch verfahren wie dieser Töpfer, Haus Israel? Spruch des HErrn. Seht, wie der Ton in der Hand des Töpfers, so seid ihr in Meiner Hand, Haus Israel.
Auch hier kündigt Gott dem Volk Israel an, daß Er jedes Volk oder Reich auch ausreißen und vernichten könne, darauf aber verzichtet, wenn es auf Seine Drohung hin umkehrt. Doch auch umgekehrt reue Ihn das Gute, das Er einem Volk getan habe, wenn es tut, was Ihm mißfällt.

Daher schickt Er Jeremia zum Volk Juda und den Einwohnern Jerusalems mit einer Unheilsbotschaft, die Er nicht auszuführen gedenkt, wenn sie umkehrten. Doch Er weiß bereits, daß sie nicht umkehren werden. Und dann wird's wieder kraß:
Deshalb spricht der HErr: Fragt unter den Völkern, wer je Ähnliches gehört hat. Ganz Abscheuliches hat die Jungfrau Israel getan. [...] Mein Volk aber hat Mich vergessen; nichtigen Götzen bringt es Opfer dar. Doch Ich lasse sie straucheln auf ihren Wegen, den altgewohnten Bahnen, so daß sie auf ungebahnten Pfaden gehen müssen. Ich will ihr Land zu einem Ort des Entsetzens machen, zum Gespött für immer. Jeder, der dort vorbeikommt, wird sich entsetzen und den Kopf schütteln. Wie der Ostwind zerstreue Ich sie vor dem Feind. Ich zeige ihnen den Rücken und nicht das Gesicht am Tag ihres Verderbens.
Das Töpfergleichnis bestätigt die Interpretation des Sacharjabezuges: Auch hier kündigt Gott an, Seinen Bund mit dem Volk zu beenden. Und zwar nicht, weil Er untreu geworden wäre, sondern weil die Menschen Ihm untreu geworden sind. Weil das Volk den Bund gebrochen hat, ist auch Er nicht mehr an Seinen Bund gebunden. (Soviel zur Argumentation, der Alte Bund sei für die Juden immer noch Heilsweg, weil Gottes Treue gegen einen Bruch dieses Bundes stehe. Um es mit Luther [der in diesem Punkt, es ging um die Realpräsenz, ja tatsächlich recht hatte] zu sagen: Streicht mir die Stellen, die das Gegenteil belegen, aus der Bibel, und wir können über alles reden...)

Wie zu erwarten macht das für Jeremia bloß alles noch schlimmer, so daß er sich in seiner Verzweiflung mit einer Art Fluchpsalm an Gott wendet:
Gib du, HErr, Acht auf mich und höre das Gerede meiner Widersacher! Darf man denn Gutes mit Bösem vergelten? Denn sie haben (mir) eine Grube gegraben. Denk daran, wie ich vor Dir stand, um zu ihren Gunsten zu sprechen und Deinen Zorn von ihnen abzuwenden. Darum gib ihre Kinder dem Hunger preis und liefere sie der Gewalt des Schwertes aus! Ihre Frauen sollen der Kinder beraubt und zu Witwen werden, ihre Männer töte die Pest, ihre jungen Männer erschlage das Schwert in der Schlacht. Geschrei soll man hören aus ihren Häusern, wenn Du plötzlich plündernde Horden über sie kommen läßt. Denn sie haben (mir) eine Grube gegraben, um mich zu fangen; meinen Füßen haben sie Schlingen gelegt. Du aber, HErr, Du kennst all ihre Mordpläne gegen mich. Nimm für ihre Schuld keine Sühne an, lösch bei Dir ihre Sünde nicht aus! Laß sie zu Fall kommen vor Deinen Augen, handle an ihnen zur Zeit Deines Zorns!
Diese Stelle auch noch auf die Kreuzigung Jesu zu beziehen, machte zwar deren Gerichtscharakter deutlich, ließe aber keinerlei Hoffnung mehr auf ein gutes Ende. Dann bedeutete der Tod Jesu tatsächlich ein Scheitern Gottes im Werben um den Menschen. Dann wäre der Mensch unrettbar verdammt und dem Herrn dieser Welt ausgeliefert.

Vielleicht ist es diese Überlegung, die Matthäus dazu bewogen hat, vom Töpferacker zu reden, also nicht nur auf das unheilvolle Töpfergleichnis zu verweisen, sondern im selben Atemzug auch auf Jeremias prophetischen Ackerkauf. (Zumal ja auch die Apg von einem Ackerkauf weiß, wenn auch durch Judas selbst.)

Ackerkauf
Die Ausgangslage ist düster: Nebukadnezar belagert Jerusalem, das angekündigte Unheil ist also eingetreten, und Jeremia selbst ist Gefangener des Königs Zidkija. Entsprechend der Vorhersage Gottes kommt in genau dieser düsteren Situation, in der sich alles Unheil verwirklicht, das Jeremia angekündigt hat, ein Cousin Jeremias namens Hanamel und will seinen Acker verkaufen. Hintergrund ist, wie durch den Bezug auf das "Einlösungsrecht" deutlich wird, daß Hanamel in einer Notlage war (was auf dem Hintergrund des Krieges mit den Babyloniern wohl nicht nur bei ihm so war). Gerade in dieser Situation, in der eigentlich weder für das Land im allgemeinen noch für Jeremia im besonderen eine realistische Hoffnung auf Besserung bestand, kaufte Jeremia dennoch den Acker auf das Wort des HErrn hin -- und zwar in aller Öffentlichkeit. Er läßt die Kaufurkunden in Tonkrüge stecken, damit sie lange Zeit erhalten blieben, mit der Begründung:
Denn so spricht der HErr der Heere, der Gott Israels: Man wird wieder Häuser, Äcker und Weinberge kaufen in diesem Land.
Dieser Ackerkauf steht zudem an einer Scharnierstelle im Buch Jeremia: Es ist der Übergang von den unzähligen Unheilsprophetien Jeremias zu den (vergleichsweise wenigen, aber kräftigen) Heilsworten Gottes. Der Ackerkauf bringt als prophetische Handlung zum Ausdruck, was in den folgenden Texten ausdrücklich gesagt wird: Es wird eine Zukunft für das Land und seine Bewohner im allgemeinen sowie Jeremia im besonderen geben.
Siehe, Ich bin der HErr, der Gott aller Sterblichen. Ist Mir denn irgendetwas unmöglich? Darum - so spricht der HErr: Ich gebe diese Stadt in die Hand der Chaldäer und in die Hand Nebukadnezzars, des Königs von Babel, und er wird sie einnehmen. Die Chaldäer, die gegen diese Stadt ankämpfen, werden eindringen, die Stadt in Brand stecken und einäschern samt den Häusern, auf deren Dächern man dem Baal Rauchopfer und fremden Göttern Trankopfer dargebracht hat, um Mich zu erzürnen. Denn die Leute von Israel und Juda haben von Jugend an immer nur das getan, was Mir mißfiel, ja, die Leute von Israel haben Mich durch ihr Verhalten stets nur erzürnt - Spruch des HErrn. In der Tat, diese Stadt hat seit ihrer Gründung bis zum heutigen Tag Meinen Zorn und Grimm erregt, so daß Ich sie von Meinem Angesicht verstoßen muß wegen all des Bösen, das die Leute von Israel und Juda verübt haben, um Mich zu erzürnen, sie, ihre Könige, ihre Beamten, ihre Priester und ihre Propheten, die Leute von Juda und die Einwohner Jerusalems. Sie haben Mir den Rücken zugewandt und nicht das Gesicht. [...] Jetzt aber - so spricht der HErr, der Gott Israels, über diese Stadt, von der ihr sagt, sie sei durch Schwert, Hunger und Pest dem König von Babel preisgegeben: Seht, ich sammle sie aus allen Ländern, wohin ich sie in Meinem Zorn und Grimm und in großem Groll versprengt habe. Ich bringe sie wieder zurück an diesen Ort und lasse sie in Sicherheit wohnen. Sie werden Mein Volk sein und Ich werde ihr Gott sein. Ich bringe sie dazu, nur eines im Sinn zu haben und nur eines zu erstreben: Mich alle Tage zu fürchten, ihnen und ihren Nachkommen zum Heil. Ich schließe mit ihnen einen ewigen Bund, daß Ich Mich nicht von ihnen abwenden will, sondern ihnen Gutes erweise. Ich lege ihnen die Furcht vor Mir ins Herz, damit sie nicht von Mir weichen. Ich werde Mich über sie freuen, wenn Ich ihnen Gutes erweise. In Meiner Treue pflanze Ich sie ein in diesem Land, aus ganzem Herzen und aus ganzer Seele. Denn so spricht der HErr: Wie Ich über dieses Volk all das große Unheil gebracht habe, so bringe Ich über sie all das Gute, das Ich ihnen verspreche. Man wird wieder Felder kaufen in diesem Land, von dem ihr sagt: Es ist eine Wüste, ohne Mensch und Vieh, der Hand der Chaldäer preisgegeben. Äcker wird man wieder kaufen für Geld, Kaufurkunden ausstellen und versiegeln und Zeugen hinzunehmen im Land Benjamin, in der Umgebung Jerusalems, in den Städten Judas und des Gebirges, in den Städten der Schefela und des Negeb. Denn Ich wende ihr Geschick - Spruch des HErrn. (Jer 32, 27-33.36-44)
Gott kündigt also an, daß er das Unheil vollstrecken, den Bund als beendet ansehen wird, wie im Töpfergleichnis und anderswo angekündigt (man beachte den Verweis auf Rücken und Gesicht -- ius talionis...). Aber Er kündigt zugleich einen neuen, ewigen Bund an, den Er schließen wird und in dem Er die Menschen mit allen Mitteln ausstatten wird, die sie brauchen, um gottesfürchtig zu sein und zu bleiben.

Der knappe Jeremiabezug in der Perikope vom Ende des Judas bei Matthäus deutet also in großer Tiefe die bevorstehende Passion, und es sind gerade diejenigen, die die Schuld an Jesu Kreuzestod haben, die in ihren Handlungen unwissentlich prophetisch deuten, was im folgenden auf einer tieferen, geistigen und metaphysischen Ebene passieren wird.

In dieser Interpretation erscheint dann der Bezug auf die Exodusstelle auch nicht mehr allein als zufällig. Es könnte durchaus sein, daß Matthäus auch an die Plagen in Ägypten dachte, an das Unheil, das der verstockte Pharao als Führer über sein Volk brachte (wie die Hohenpriester über ihr Volk), die zugleich die Voraussetzung für die Befreiung des Volkes Israel aus der Knechtschaft waren. Nicht umsonst ist der Durchzug durchs Rote Meer die einzige Lesung der Osternacht, die niemals und unter keinen Umständen entfallen darf. (Was leider nicht heißt, daß man sich auch daran hielte. Mir erklärte ein emeritierter Theologieprofessor mal, angesichts des Nahostkonflikts könne er diese Lesung gerade in der Osternacht nicht ertragen und habe daher in seiner Gemeinde durchgesetzt, daß sie nicht gelesen werde. *facepalm*)

Diese unscheinbare und in ihrer Ausführlichkeit geradezu irritierende, störende Stelle hat es theologisch also in sich.

Und, wie Dorothea es so treffend auf den Punkt brachte, "da man schließlich so etwas heute einzeln erklären muß": Matthäus ist selbst Jude und er schreibt, so der weitgehende Konsens der Exegeten, für eine judenchristliche Gemeinde. Es geht hier also nicht darum, antijüdische Gefühle zu wecken und sie pauschal zu Gottesmördern zu erklären. Nein, es geht um viel mehr, wie schon die Rede von Völkern und Reichen bei Jeremia und vom "Bund, den ich mit allen Völkern geschlossen hatte" bei Sacharja zum Ausdruck bringen. Es geht darum, daß der Mensch von sich aus selbst im Alten Bund nicht in der Lage war, Gott (dauerhaft) zu fürchten und seinen Gesetzen entsprechend zu leben. Der Alte Bund, das Gesetz konnte nur die Sünde als Sünde offenbar machen, wie Paulus schreibt (Röm 2-8, v.a. Röm 7). Das jüdische Volk steht also erkennbar pars pro toto für die Menschheit.

Samstag, 28. April 2012

Verfassungswidrigkeit der Familie

Wenn alles mit halbwegs rechten Dingen zugeht, müßte das Betreuungsgeld jetzt sicher sein. Als Befürworter muß man sich eigentlich nur noch genüßlich zurücklehnen und darauf warten, daß sich die Gegner um Kopf und Kragen reden. Nachdem am Mittwoch bereits Manuela Schwesig erfolgreich vorgelegt hatte (und eine coole Antwort hervorgerufen hat, die weder sie noch ihre Äußerung einer Erwähnung für würdig befand und trotzdem klar gegen sie gerichtet war), greifen die Verzweifelten jetzt zum letzten Todschlagargument: Verfassungswidrigkeit.

Dafür müssen sie allerdings ganz schöne Klimmzüge machen, die es kaum wert sind, kommentiert zu werden. Zum einen bereite der Krippenausbau keine Nachteile für die Eltern, die ihre Kinder zu hause erziehen (was für sich genommen zwar richtig, aber kein Argument ist), zum zweiten dränge das Betreuungsgeld „Eltern zu einer bestimmten Art und Weise der Erziehung ihrer Kinder“ (was bereits sachlich falsch ist, denn die Geldzahlung ist ja nicht an einen bestimmten Erziehungsstil oder bestimmte Erziehungsziele geknüpft). Daß die Eltern für Kindergartengebühren entschädigt werden müßten, werde ich mir auch merken, wenn ich für meinen nächsten Ausweis Geld auf den Tisch legen soll; immerhin scheine ich ja einen verfassungsmäßigen Anspruch darauf zu haben, kostenlose Leistungen vom Staat zu bekommen.

Na, wie gesagt: Das Ende der Debatte kann nicht mehr fern sein. Zumal auch die Zustimmung deutlich höher ist, als man angesichts des Medienechos denken könnte, insbesondere in der (möglichen) Elterngeneration (51%). Und während die Piratenpartei das Betreuungsgeld ablehnt (man prüfe diese Aussage mal anhand der dortigen Kommentare :-), hat es unter den Piratenanhängern (und nur unter den Piratenanhängern) tatsächlich einer relative Mehrheit von 47%.

Datenflut

Heute kam die Antwort vom Volkbund zum Schicksal meines Großvaters. Die profanste aller möglichen:
Es hat sich im Nachhinein herausgestellt, daß es bezüglich der Vermißtenorte und des Vermißtendatum in einigen Datensätzen zu Abweichungen gekommen ist. Aufmerksam hierauf wurden wir, wie im Falle Ihres Angehörigen, durch die Anfragen der Familienangehörigen. Die Abweichungen resultieren aus dem Umstand, daß die Angaben des DRK, um die Flut der Daten bewältigen zu können, zu sogenannten Ortsschlüsseln zusammengefaßt wurden.
Wirklich die profanste -- und ärgerlichste -- aller möglichen Erklärungen. Wer sich schonmal ernsthaft mit der Konsitenz von Daten auseinandergesetzt hat, weiß, daß gerade beim Transfer von unüberschaubar großen Datenmengen ("Datenflut") die korrekte Übernahme wichtig ist, da niemand im Nachhinein hingehen und alles nochmal überprüfen kann.

Um ein paar Monate zu sparen, wird auf Jahrzehnte hinweg eine fehlerhafte Datenbank in Kauf genommen. Sowas haben wir auch hier in der Unibibliothek. Da wurde die Bibliothek einer aufgelösten evangelischen Ausbildungsstätte übernommen, und weil die Bibliothek damals sowieso noch im Aufbau war und das Geld trotz allem knapp, hat man die Integration von externen Hilfskräften machen lassen, die sich offenbar nicht gerade durch theologische Fachkenntnis auszeichneten. Mit dem Ergebnis, daß Bücher nicht mehr sinnvoll gefunden werden konnten, weil sie unter falschen Notationen aufgestellt worden waren. So fand ich mal ein Buch über die Eucharistie unter BK 6150. Ohne solche Zufallsfunde ist im Nachhinein nichts mehr zu korrigieren. Und genau das Problem hat jetzt der Volksbund.

Nur daß es dort nicht um Bücher geht, die thematisch falsch aufgestellt, aber immer noch über Autor und Titel zu finden sind. Sondern um das seit über 60 Jahren ungeklärte Schicksal von Menschen, deren Angehörige plötzlich die Hoffnung haben, doch noch einmal an einem Grab stehen zu können. Ok, kann man jetzt nicht mehr ändern, aber damit ist der Datenbestand des Volksbundes plötzlich wertlos, weil man sich nie darauf verlassen kann, daß er auch korrekt ist.

Freitag, 27. April 2012

Hermeneutik der Kontinuität

Über meinem Blog steht: "In ipsa item catholica ecclesia magnopere curandum est, ut id teneamus, quod ubique, quod semper, quod ab omnibus creditum est." Der geneigte Leser wird sich wohl die Quelle dieses "Kanons" angesichts des "Commonitoria" (commonitorium.blogspot.com war schon besetzt und außerdem spricht Vinzenz ja selbst von zwei Mahnbüchern, von denen aber der zweite Teil schon ihm selbst gestohlen worden sein soll) und des Bloggernamens "Vincentius Lerinensis" zumindest ergoogeln können. Allerdings möchte ich dann doch mal darauf hinweisen, daß ich mich damit nicht selbst schubladisieren will. Auf der einen Seite hat mich ein wenig der Schalk geritten, als ich auf diese Idee kam, zum anderen hatte ich schon seit meiner Diplomarbeit die passende E-Mail-Adresse.

Vor allem aber bin ich seit der tiefergehenden Beschäftigung damals (freundlich ausgedrückt:) erstaunt, wie wenig der Vinzenz wirklich gelsen wurde und wird. Irgendwas mal über ihn gehört haben viele, besonders in konservativeren Gruppen kann man auch den sogenannten Kanon zitieren. Aber nur aus dem Zusammenhang gerissen! Denn er erscheint ja auf den ersten Blick so klar und verständlich, weil er so knackig formuliert ist.

Aber es fängt schon mit der Reihenfolge der Einzelkriterien an. Erst seit knapp 200 Jahren wird der sogenannte Kanon als das, was "immer, überall, von allen" geglaubt wurde, zitiert. Steht aber gar nicht da, und das ist wichtig! Wie Vinzenz nämlich in den folgenden Kapitel ausführt, ist der Kanon nicht kumulativ, sondern sukzessiv zu verstehen. Das heißt: Erst wenn das erste Kriterium nicht reicht, kommt das zweite ins Spiel, und das dritte interessiert erst, wenn die ersten beiden versagt haben. Richtig heißt es: "überall, immer, von allen".

Relevant werden diese Kriterien überhaupt erst dann, wenn eine Lehre in ihrer Rechtgläubigkeit umstritten ist. Normalerweise reiche zwar die Schrift vollkommen aus, aber leider hätten sich auch die Irrlehrer immer wieder auf die Schrift bezogen und besonders gerne schwer verständliche Stellen zur Begründung ihrer Lehre angeführt, indem sie sie in ihrem Sinne auslegten. Daher bedürfe es der kirchlichen Auslegung der Schrift, und wie man diese feststellt, dazu solle der Kanon dienen: Zunächst sei nach der einmütigen Lehre der Kirche in der Gegenwart zu fragen ("überall"). Ist diese nicht eindeutig festzustellen, dann müsse "das Altertum" befragt werden, wobei Vinzenz mit "Altertum" die Zeit meint, bevor die umstrittene Lehre aufkam ("immer"). Ist aber auch aus "dem Altertum" keine eindeutige Sicht auf die umstrittene Lehre zu gewinnen, dann müsse man nach einem Konzilsentscheid in dieser Frage suchen, und falls es den nicht gibt, müsse man wohl oder übel die Kirchenväter der Reihe nach durchgehen ("von allen").

Für uns heute ist diese Frage sehr viel einfacher zu bearbeiten. Anders als Vinzenz haben wir es heute relativ einfach, die verläßliche Lehre der Kirche zu bestimmen (Katechismus, vergleichsweise leicht zugänglich lehramtliche Äußerungen). Und damit könnte man es dann auch bewenden lassen, denn nach Vinzenz' Kriteriologie ist die Sache eigentlich erledigt.

Eigentlich: Wenn da nicht die Merkwüdigkeit wäre, daß Vinzenz seine Dreiteilung nicht bis zum Ende durchhält, ja bereits bei der ersten Erläuterung das "ab omnibus"-Kriterium selbst noch einmal teilt, und bei genauerer Betrachtung seine eigentliche Kreativität nicht auf den "Kanon", sondern auf den Fortschritt verwendet hat. Ein Großteil des Commonitoriums ist nämlich völlig frei von eigenen Gedanken Vinzenz', nur die griffige Formulierung geht auf ihn zurück (der Rest steht schon bei Tertullian und Irenäus von Lyon), praktisch ohne traditionsgeschichtlichen Vorläufer ist aber das Kapitel 23.

Dieses Kapitel 23 behandelt die Frage, ob es unter den Voraussetzungen des "Kanons" überhaupt eine Entwicklung geben könne, oder ob immer alles beim Alten bleiben müsse. Vinzenz verneint diese Frage. Es gäbe sehr wohl Entwicklung, ja sogar echten Fortschritt in der Lehre, nur dürfe diese nicht einen Bruch mit der früheren Lehre darstellen, sondern ein natürliches Wachstum bereits angelegter Samen darstellen. Ausgerechnet diese Stelle ist auch die einzige, die jemals höchstlehramtlich zitiert wurde, nämlich durch das I. Vatikanische Konzil.

Wat also sacht uns dit janze? Das eigentliche Kriterium für Vinzenz war, so scheint es, die wesentliche Übereinstimmung der gegenwärtigen Lehre mit dem Ursprung, und wie diese Übereinstimmung dem Wesen nach bestimmt werden kann, verrät weniger der Kanon als vielmehr die Anwendungsbeispiele im Commonitorium selbst: Treue zur Kirche aller Zeiten. Als ich darüber meine Diplomarbeit geschrieben habe (2004), hatte ich noch nicht viel von einer Hermeneutik der Kontinuität gehört. Aber eigentlich ist das genau das, was Vinzenz in seinem Commonitorium entwickelt.

Aushilfe

Da Phil ein wenig schwächelt, muß ich wohl oder übel aushelfen, obwohl Crustcore nicht gerade mein Spezialgebiet ist:



Dienstag, 24. April 2012

Die Sprache christlicher Nächstenliebe, vorblogoezesan

...und wenn es einer wagt, böse Dinge bei ihrem eigenen Namen zu nennen, indem er das sie genau bezeichnende Wort gebraucht, dann kommen die verwanzten Kultur- und Zeitkritiker oder jene Schmierenkomödianten religiösen Schrifttums, diese brünstig gewordenen Allelujasänger, und versuchen dem verdutzten Publikum einzureden, man hätte sich 'im Ausdruck vergriffen', bloß weil man diese Wölfe im Schlafpelz[sic!] begriffen hatte und als das, was sie sind, bezeichnet hat.
François Petit OP in: Ders./Diether Wendland: Das Böse, das Übel und die Sünde; Aschaffenburg: Pattloch 1959, 70.

Donnerstag, 19. April 2012

Urheberrecht, die drölfzigste

Es gibt Juristen, die der Meinung sind, das Einbetten von Videos aus einer Video-Plattform könne selbst ein urheberrechtlicher Mißbrauch sein. Ich bin kein Jurist. Aus diesem Grund kann ich weder die zugrundeliegende Argumentation nachvollziehen noch die Lage in Bezug auf die von mir eingebetteten Videos beurteilen.[1]

Das hat allerdings einen ganz einfachen Grund: YouTube teilt mir als Nutzer zwar mit, wenn es Videos aufgrund von Urheberrechtsverletzungen sperrt, aber nicht, wenn die urheberrechtlich geschützten Inhalte vom Rechteinhaber genehmigt wurden. Vielmehr erklärt derjenige, der ein Video hochlädt, daß er die Rechte an dem Video selbst besitzt oder sie eingeholt hat. Woran der Endnutzer jetzt erkennen soll, ob er ein Video legal einbinden kann oder nicht, bleibt mir ein Rätsel. Eine "offenkundig rechtswidrige Quelle" ist YouTube ja nun nicht, oder?!

Hinzu kommt noch die aus Nutzersicht geradezu absurde Situation, die aus dem Streit zwischen der GEMA und YouTube entsteht. Eine ganze Reihe von Liedern, insbesondere im Metalbereich, gibt es bei YouTube im Kanal der Plattenfirma. Als Rechtslaie sollte man schon davon ausgehen können, daß ein von der Plattenfirma eingestelltes und zum Einbetten freigegebenes Video urheberrechtlich bedenkenlos eingebettet werden könnte. Leider ist das nicht der Fall: In fast allen Fällen war das Streaming über deutsche Hosts mit Verweis auf die Streitigkeiten mit der GEMA durch YouTube gesperrt.

Honi soit qui mal y pense: Die GEMA vertritt Künstler und die Plattenfirmen hinsichtlich der Zweitverwertungsrechte. YouTube sperrt aber vorrangig die Videos der Plattenfirmen, und nicht auch alle andere Videos mit derselben Musik, obwohl das nur konsequent (und unabhängig von der Frage, ob die Plattenfirmen der Nutzung zugestimmt haben) wäre. (Wobei das GEMA-Sperren teilweise so willkürlich wirkt, daß man sich schon fragen könnte, ob da nicht ein Zufallsalgorithmus für das Sperren von Videos zuständig ist. Nur mal so als Beispiel: Letztens war ein und dasselbe Metal-Video beim deutschen Kanal einer Plattenfirma gesperrt, konnte aber problemlos über den englischen Kanal derselben Plattenfirma angeschaut werden. *kopfschüttel*) Es liegt irgendwie der Verdacht nahe, daß YouTube die Plattenfirmen dazu drängen will, ihrerseits auf die GEMA Druck auszuüben, ihre Forderungen herunterzuschrauben. Die Dummen sind dabei nicht einmal so sehr die YouTube-Nutzer, die ja auf die Videos von anderen Nutzern (oder auf anderen Portalen, die sich mit der GEMA geeinigt haben) zurückgreifen können, obgleich sie sich damit in eine urheberrechtlich unklare Situation begeben. Die Dummen sind tatsächlich die Künstler, denen die Forderungen der GEMA zugute kämen.

Und in der öffentlichen Diskussion werden alle, die das deutschen Urheberrecht für dringend reformbedürftig halten, abgestempelt, sie würden gegen die Verdienstmöglichkeiten der Künstler kämpfen. Verkehrte Welt!

===
[1] Als ich diesen Beitrag schon fertiggeschrieben hatte, bin ich nochmal ein wenig auf die Suche gegangen -- und dabei auf dieses Fundstück gestoßen:
"Die Verlinkung urheberrechtlich geschützter Bilder mittels Frames oder als 'Deep-Link' direkt auf die Bild-Datei ist keine Urheberrechtsverletzung." (LG Hamburg, Urteil v. 26.09.2008, Az. 308 O 42/06)

Obwohl auf den ersten Eindruck gegensätzlich bestätigt auch das LG München, daß die Einbindung von YouTube-Videos keine Zugänglichmachung nach §19a UrhG sein kann, denn entscheidendes Argument, mit dem zwischen zulässigen Deep-Links und unzulässigem Framing unterschieden wird, ist der Eindruck, der beim Nutzer der Website erweckt wird (genau auf diese Argumentation stützt sich auch das LG Hamburg):
Es "ist danach zu fragen, ob der Ersteller eines Webauftritts sich fremde Inhalte in einer Weise zu eigen macht, dass für den gewöhnlichen Nutzer die Fremdheit nicht mehr in Erscheinung tritt. [...] Verlinkt der Domaininhaber seine Webseite dagegen in einer Weise mit den Seiten anderer Anbieter, dass die Fremdheit dieser Angebote für den Nutzer deutlich erkennbar bleibt, so haftet er - egal ob es sich um einen Link auf die Homepage eines Dritten oder auf eine Unterseite von dessen Auftritt (deep-link) handelt, nur nach den Grundsätzen, die der BGH in der Schöner-Wetten-Entscheidung aufgestellt hat" (LG München I, Urteil vom 10.01.2007 - Az. 21 O 20028/05).
Bei YouTube-Videos steht ja nun deutlich genug YouTube drauf, so daß die Fremdheit eindeutig erkennbar ist. Hinzu kommt noch, daß es hier keine "(vom Nutzer der Seite nicht willkürlich beeinflusste, sondern allein vom Ersteller der Website veranlasste) Zulieferung der Datei von einem beliebigen Ort im Internet" (aus dem Volltext der Entscheidung, Entscheidungsgründe, II., 1. b), bb) aaa)) gibt, denn der Nutzer muß das Abspielen des Videos (wie bei einem Link durch Anklicken) selbst veranlassen.

Dem steht auch nicht der 7. Leitsatz entgegen, der besagt, daß der framende Zweitnutzer mit dem Erstverletzer zusammen für die Rechtsverletzung haftet. Denn im Volltext heißt es genauer:
"Während derjenige, der fremde Inhalte framed, somit die Verantwortung für das Bestehen ausreichender Nutzungsrechte hieran übernimmt, haftet derjenige, der einen deep-link setzt, regelmäßig erst dann, wenn er hinsichtlich der fehlenden Nutzungsbefugnis an dem fremden Werk in schlechtem Glauben ist." (Ebd., Entscheidungsgründe, II., 1. b), gegen Ende)
Im Sinne des Unterscheidungskriteriums zwischen Framing und Deep-Link ist ein eingebettetes YouTube-Video als ein Deep-Link zu beurteilen. Der Nutzer, der ein YouTube-Video einbettet, müßte also schon mindestens ahnen, daß es sich um eine Rechtsverletzung handelt, um selbst haftbar gemacht werden zu können. Das kann man -- aber IANAL... -- eigentlich nur dann annehmen, wenn das Video mit dem Kommentar versehen ist: "Ich habe keine Rechte an diesem Video." (Gibt's wirklich!) Denn das ist ein offensichtlicher Verstoß gegen das deutsche Urheberrecht (und wenn ich mich nicht irre, auch gegen die YouTube-AGB), der bei YouTube etwa aufgrund der Fair Use-Regelung in den USA durchaus legal sein könnte, solange das Video nicht in Deutschland abgerufen wird.

Summa summarum: Selbst die schlechtesten Neuscholastiker des späten 19. Jahrhunderts waren in der Frage nach der Zahl der Engel, die auf eine Nadelspitze passen (eine Belegstelle für diese Frage habe ich übrigens auch noch nicht gefunden, aber das nur am Rande), nicht so spitzfindig, wie man es beim Urheberrecht im Internet sein müßte, um rauszufinden, ob man das, was alle machen, überhaupt machen darf. Noch ein Grund, warum wir eine Reform des Urheberrechts brauchen. Denn die Eingangs verlinkte Äußerung eines Rechtsanwalts auf der ARD-Seite ist beste Desinformation. Wie mir scheint. So genau kann man das ja irgendwie gar nicht sagen.

Dienstag, 17. April 2012

Aus gegebenem Anlaß

  1. Frauenordination und Zölibat liegen theologisch auf ganz unterschiedlichen Ebenen. Die Diskussion über ihre jeweilige Berechtigung, Möglichkeit und Nützlichkeit muß getrennt geführt werden.
  2. Gemeinsam ist ihnen beiden aber, daß über sie bereits alles gesagt ist. Nur vielleicht noch nicht von jedem. (Wobei ich an letzterem zu zweifeln beginne...)
  3. Über die Frauenordination wurde bereits zwei Jahrzehnte diskutiert lang diskutiert, als Papst Johannes Paul II. unter Berücksichtigung der Fachdiskussion 1994 die als endgültig zu haltende Entscheidung verkündete, daß die Kirche keine Vollmacht habe, Frauen zu Priestern zu weihen.
  4. Diese Lehre wurde einmütig von allen nachkonziliaren Päpsten vertreten und kann sich auf eine ungebrochene Tradition von alters her berufen.
  5. Das Argument, daß Jesus aus rein zeitgebundenen Gründen nur Männer als Priester eingesetzt hat, verblaßt, wenn man sich die Formulierung genau ansieht: Die Kirche hat keine Vollmacht Frauen zu Priestern zu weihen.
  6. Das Wörtchen Vollmacht deutet auf den entscheidenden Aspekt hin: Bei der Priesterweihe handelt es sich um ein Sakrament.
  7. Sakramente sind von Christus eingesetzte Heilsmittel. Es gibt sie außschließlich aufgrund dieser Einsetzung.
  8. Nicht die Kirche spendet die Priesterweihe, sondern Christus durch die Hand Seines dazu von Ihm bevollmächtigten Bischofs. Der Bischof kann daher nur tun, wozu ihn Christus Selbst eingesetzt hat.
  9. Daher kann die Kirche nur die Menschen zu Priestern weihen, die gemäß der Einsetzung des Sakraments durch Christus fähig sind, die Weihe zu empfangen.
  10. Wenn es also keine ausdrückliche Bevollmächtigung zur Weihe von Frauen gibt -- was ganz offensichtlich der Fall ist, sonst müßte man ja nicht argumentieren, Christus habe sich hier allein nach den damaligen Konventionen gerichtet --, kann niemand eine Frau zum Priester weihen, da es Christus Selbst tun müßte.
  11. Selbst wenn sich also Christus bei der Einsetzung der Priesterweihe aus Rücksicht auf damalige gesellschaftliche Konventionen -- welch absurde Vorstellung, haben die Frauen in Seiner Nachfolge doch eine geradezu skandalöse Rolle gespielt! -- auf Männer beschränkt hätte, wäre diese Beschränkung für uns immer noch bindend. Die Motive sind uns nicht nur erkenntnistheoretisch entzogen, sie sind für uns auch völlig irrelevant: Wir haben die Sakramente nicht eingesetzt, wir können auch nicht nach Belieben über sie verfügen.
  12. Die Kirche kann zwar unter Umständen weitere Bedingungen für den Sakramentenempfang aufstellen und ihre Spendung verweigern, insbesondere bei individuell nicht heilsnotwendigen Sakramenten wie der Priesterweihe, aber sie kann die von Christus gemachten Einschränkungen nicht aufheben.
  13. Täte sie es, setzte sie sich über die fehlende Vollmacht hinweg und versuchte Frauen zu Priestern zu weihen, dann passierte schlicht und ergreifend -- gar nichts!
  14. Es gäbe dann mit kirchlicher Autorität vermeintlich geweihte Priesterinnen, die scheinbar in persona Christi handeln könnten, tatsächlich aber nicht geweiht wären, weil Christus Sich zwar in Seiner Freiheit eingeschränkt und an die kirchliche Handlung gebunden hat (also nicht an der Kirche vorbei weiht), sich aber durch nichts und niemanden zwingen lassen kann, das Sakrament nach Lust und Laune der Kirche auszuweiten (also die Kirche nicht ohne Christus weihen kann).
  15. Das wäre das Ende des Weihepriestertums. Spätestens wenn Frauen auch zu Bischöfen geweiht werden, könnte niemand mehr sicher sein, ob der PriesterIn da vorne tatsächlich Priester Jesu Christi ist oder nicht. Wer Sakramente von diesen SimulationspriesterInnen "gespendet" bekäme, hätte sie tatsächlich nicht empfangen.
  16. Wer Frauen ordinieren will, kann daher konsequenterweise nur das Weihepriestertum abschaffen.
  17. Daher gehört die Unmöglichkeit der Priesterweihe von Frauen tatsächlich zum unaufgebbaren Kern des christlichen Glaubens. Denn diese Frage betrifft tatsächlich, wie es Johannes Paul II. formulierte, "die göttliche Verfassung der Kirche selbst".

Donnerstag, 12. April 2012

Bildungsveranstalung

Als ob ich es mit meinem gestrigen Posting beschworen hätte, erreichte mich heute über Facebook folgendes Video mit der Bitte, die Fragen des Anrufers richtig zu stellen (Achtung! Massive Kopf-Tischkanten-Gefahr):


Eigentlich kann ich an den Fragen des Anrufers nichts richtigstellen. Die Fragen sind an sich richtig. Nur der Typ am Mikro redet sich um Kopf und Kragen (um das festzustellen reichen 45 Sekunden) und kann sie nicht adäquat beantworten.

Man muß ihm zwar zugute halten, daß auch alles, was ich im folgenden an theologischen Überlegungen wiedergebe, kein exaktes Wissen ist, sondern nur die Demonstration der Denkmöglichkeit dessen, was in der Bibel beschrieben wird. D.h. es muß nicht so sein, wie es sich die Theologie zu erklären versucht (wer hat schon Gott je gesehen?), aber das, was wir glauben, kann logisch widerspruchsfrei gedacht werden. Doch als Katholik kriege ich die Krise bei einem solch naiven Biblizismus, wie er hier zum Ausdruck kommt.

Zum Schriftverständnis

Nach katholischer Lehre ist die Bibel im Kontext ihrer Auslegung durch Raum und Zeit zu lesen. Diesen Kontext nennen wir Tradition und verstehen ihn als gleichrangige Offenbarunggsquelle. Entscheidend ist nicht, was da in der Bibel steht, sondern was in Jesus Christus geschehen ist. Deswegen spricht der Papst auch ständig davon, daß das Christentum keine Buchreligion sei. Im Gegensatz zum Koran ist die Bibel nicht selbst unmittelbar von Gott offenbart, sondern Menschen haben sie als Zeugnis von der Selbstoffenbarung Gottes verfaßt, wenngleich wir glauben, daß sie durch den Beistand Gottes daran gehindert wurden, völligen Schwachfug zu schreiben.

Zur Trinität:

Drei Personen, zwei Hervorgänge, ein Gott. Ein Gott in drei Personen, das heißt jede Person ist ganz Gott, aber eben nur in den Beziehungen zu den anderen Personen; d.h. die Person für sich wäre nicht Gott, wenn sie nicht mit den anderen beiden Personen in Beziehung stünde. Denn in Gott gibt es zwei Hervorgänge: Der Sohn geht aus dem Vater hervor, und der Heilige Geist geht aus dem Vater und dem Sohn hervor. Diese zwei Hervorgänge etablieren die drei Personen: Der Vater wäre nicht der Vater, wenn aus Ihm nicht der Sohn und der Heilige Geist hervorgingen; der Sohn wäre nicht der Sohn, wenn Er nicht aus dem Vater hervorginge und der Heilige Geist aus Ihm hervorginge; und der Heilige Geist wäre nicht der Heilige Geist, wenn er nicht aus dem Vater und dem Sohn hervorginge.

Oder einfacher gesagt: Als Christ glaube ich an einen Gott, der in sich Beziehung, reine, selbstlose Liebe ist. Im Islam hat Gott nur Beziehungen zu seinen Geschöpfen. Aus christlicher Perspektive ist dieses Gottesbild nicht vollkommen, weil Gott hier auf die Beziehung zu seinen Geschöpfen angewiesen ist. Daraus ergibt sich auch eine ganz andere Gottesbeziehung, nämlich (um es mal drastisch auszudrücken) die zwischen Herr und Sklave.

Im Christentum ist diese Beziehung mehr. Auch hier gilt zwar: die Beziehung zwischen dem Schöpfer und Seinem Geschöpf ist durch eine unendliche Unterschiedlichkeit geprägt, wir stehen selbstverständlich auch nicht auf einer Ebene mit Gott. Aber sie ist -- durch Jesus Christus -- mehr:
"Ich nenne euch nicht mehr Knechte; denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt; denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe." (Joh 15,15)
Mit anderen Worten: Durch die Menschwerdung des Sohnes läßt Gott den Menschen an Seinem Wesen, das eben in Beziehung, in Liebe besteht, teilhaben -- und zwar gnadenhalber. Der Mensch hat weder einen Anspruch noch von sich aus eine Möglichkeit, an dieser Liebe teilzuhaben, sondern muß sich diese Vergöttlichung schenken lassen.

Zum Kreuz:

Jesus Christus war wahrer Gott und wahrer Mensch, da kommt also noch mehr dazu als nur Gott. Zwar sagt man auch, daß Gott am Kreuz gestorben ist, aber da Gott nicht sterben kann (er ist ewig), ist das keine exakte, sondern eine analoge Aussage: Insofern in Jesus Christus der Sohn Mariens und der Sohn Gottes eins sind, kann man von der zweiten göttlichen Person (und damit, s.o., von Gott selbst) sagen, daß sie (und damit Er) in Jesus Christus am Kreuz gestorben ist. Zu sagen, wenn Gott tot ist, dann hätte doch die Welt aufhören müssen zu existieren, setzt Zeitlichkeit in Gott voraus.

Auch hätte Jesus sich machtvoll der Kreuzigung wiedersetzen können. Aber wie hätte das mit Seinem Auftrag zusammengepaßt, den Menschen die Liebe Gottes (s.o.: Kenchte oder Freunde) zu bringen?

Zur Sündenvergebung

Ja, er ist für unsere Sünden gestorben, und ja, auch die Juden, die ihn ans Kreuz gebracht haben, können gerade durch das Kreuz ins Paradies gelangen -- aber nicht automatisch, sondern eben durch Annahme des Geschenkes (s.o.). Christus war zu den Juden als Volk gesandt. Trotz einigen Erfolgs hat sich auch ein Teil des Volkes, vor allem die Führungsriege, dieser Sendung widersetzt. Daher ist das Kreuz sozusagen der Plan B Gottes -- wie das Geschenk dennoch zu den Menschen, jetzt aber nicht mehr durch die Zugehörigkeit zum jüdischen Volk, sondern durch die individuelle Annahme des Geschenks in der Taufe, die ein Mitgekreuzigt- und Mitauferstehen mit Christus ist (also genau jene Vergöttlichung durch das Geschenk der Liebe).

Gott liebt jeden Menschen. Das heißt aber nicht, daß Er alles liebt, was der Mensch tut. Gott haßt die Sünde, die im Kern eine Abwendung von Gott ist. Insofern kann man auch sagen, daß Gott den Sünder haßt, insofern und so weit er die Sünde tut, aber ihn liebt, insofern er Sein Geschöpf ist. Gerettet werden kann, wer sich seine Schuld durch Gott vergeben läßt.

Zum alttestamentarischen Gesetz


a) Die Kultgesetze (Reinheits- und Opfervorschriften) sind durch Christus aufgehoben. Das Kreuzesofper (und seine unblutige Vergegenwärtigung in der Messe) haben den mosaischen Kult ersetzt.

b) Die Kollektivgesetze (also die, die das zusammenleben des Volkes Gottes regeln) haben durch die Schaffung des neuen Volkes Gottes (durch das Kreuz: s.o., nicht mehr die Zugehörigkeit zum jüdischen Volk, sondern die Annahme des Kreuzes ist entscheidend) ihre Grundlage verloren. Hier gehören auch die Strafvorschriften (Wer seine Mutter schlägt, soll des Todes sein) hin. Sie haben aber als Hinweis auf die Folgen der Sünde nach wie vor ihre Funktion ("soll des Todes sein" nicht als Strafvorschrift verstanden, die durch den Menschen umgesetzt werden soll, sondern als Hinweis auf die Folge der Sünde, die einfach unmittelbar aus dem Tun selbst geschieht: die Trennung von Gott, die nach der Offenbarung des Johannes "der zweite Tod" ist, der ewige, die Tradition nennt diesen Ort der ewigen Gottesferne die Hölle).

c) Die Individualvorschriften wie die 10 Gebote gelten nach wie vor weiter, sind aber in Bergpredigt und Liebesgebot auf eine neue Ebene gehoben. Es geht nicht darum, ihren Wortlaut zu erfüllen, sondern ihren Sinn, der sich eben nicht in der Erfüllung ihrer Minimalforderung erschöpft, sondern eher maximal zu verstehen ist -- wie eben in der Bergpredigt:
"Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt worden ist: Du sollst nicht töten; wer aber jemand tötet, soll dem Gericht verfallen sein. Ich aber sage euch: Jeder, der seinem Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht verfallen sein; und wer zu seinem Bruder sagt: Du Dummkopf!, soll dem Spruch des Hohen Rates verfallen sein; wer aber zu ihm sagt: Du (gottloser) Narr!, soll dem Feuer der Hölle verfallen sein." (Mt 5,21f.)

Zum Peter-Jürgen-Scheiß am Ende

Peter ist auch Peter ohne Jürgen und Jürgen ist Jürgen ohne Peter. Aber Gott Vater ist nicht Gott Vater ohne Gott Sohn und ohne Gott, den Heiligen Geist. Gott Vater ist nicht Gott Sohn und Gott Sohn nicht Gott Vater und Gott der Heilige Geist ist nicht Gott Vater und auch nicht Gott Sohn. Sie alle sind Gott. Der eine nicht ohn den anderen, aber jeder ist in seiner Beziehung zu den anderen beiden ganz Gott. Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich.

Fazit

Drum sei mir dieses geguttenbergte Zitat erlaubt: Roses are gay, violets are gayer, fuck this bullshit and listen to Slayer. Die haben wenigstens mehr Niveau.

Mittwoch, 11. April 2012

Auf Sand gebaut?

Irgendwann in den nächsten zwei bis drei Jahren dürfte ich mein zwanzigjähriges Internetjubiläum haben. Am Anfang war es ein großes Spielzeug, eine Möglichkeit, andere Bekloppte kennenzulernen, was bei mir damals eher mit Al Bundy als mit Jesus Christus zu tun hatte... Richtig spannend wurde es erst nach der Entdeckung des Usenets (Foren waren mir mit 'nem Modem einfach zu langsam, und umständlich finde ich sie heute noch; bei den sozialen Netzwerken fehlt mir das "hierarchische Element" ;-). Und damit begann auch mein "Beklopptheitswandel" zu mehr Glaubensdiskussionen.

Meine Erfahrung war ziemlich schnell, vor allem in der Auseinandersetzung mit Freikirchlern, daß es uns Katholiken zum einen ganz mächtig an Faktenwissen mangelt, zum anderen aber an einer spezifischen Katholiziät in der Argumentation. Wenn ich mich auf eine Diskussion mit einem Freikirchler einlasse, ohne mir bewußt zu sein, daß ich seine Voraussetzung der rein biblischen Argumentation nicht teile, dann habe ich früher oder später das Problem, daß ich ihm die katholische Lehre nicht erklären und schon gar nicht begründen kann. Denn ich argumentiere ja gar nicht katholisch, sondern freikirchlich. Wie soll da also was Katholisches bei rumkommen? Zum Glück gab es da immer auch ein paar besonders "Bekloppte", die genau diese Diskrepanz thematisierten: "Klar, unter deinen Voraussetzungen kann man das gar nicht anders denken. Aber wir Katholiken haben andere Voraussetzungen. Und daß nur die Schrift allein zähle, läßt sich mit ihr selbst gar nicht begründen. Wohl aber die Tradition, denn die ist älter."

In den Folgejahren habe ich das dann anzuwenden versucht. Die neue Erfahrung war: Wenn man wirklich von den Grundlagen bis zu den Details katholisch argumentiert, erreicht man zwar nicht unbedingt Zustimmung, schon gar nicht existentielle, aber doch selbst von bekennenden Atheisten Respekt für die (wider Erwarten?) vorhandene innere Logik des christlichen (katholischen) Glaubens. Und manchmal auch mehr.

Reißt man aber auch nur an einer kleinen, nach der Hierarchie der Wahrheiten vermeintlich unbedeutenden Stelle ein notwendiges Element der Lehre heraus, bricht über kurz oder lang das ganze, über knapp 2000 Jahre sorgsam austarrierte Gebäude zusammen. Eine Zeitlang wird man mit wilden Stützbauten den Zusammenbruch noch aufhalten können, aber für diese Stützbauten muß man weitere tragende Elemente abtragen, die dann ihrerseits Stützbauten brauchen. Schließlich werden diese Stützbauten aber nicht mehr auf dem tragenden Fundament stehen, das Christus selbst ist. Spätestens dann wird einem die ganze Bautätigkeit um die Ohren fliegen.

Liegt also die gegenwärtige Schwäche der katholischen Kirche (im deutschsprachigen Raum) zu einem nicht ganz unwesentlichen Teil nicht daran, daß schon die Grundlagen nicht bekannt sind und intuitiv eher protestantisierende Selbstverständlichkeiten für katholisch gehalten werden? Erst kürzlich hatte ich eine Diskussion in eigentlich bewußt-katholischem Kontext. Die Mitdiskutanten haben den Vorwurf des Protestantisierens entrüstet von sich gewiesen. Und doch lief da immer untergründig so eine unkatholische "Fortschrittsfeindlichkeit" mit, nach der eine Lehre, die erst im Mittelalter entstand und heute nochmals ganz anders ausehe als zu ihrer Entstehung, ja nicht so wichtig sein kann. Tja, und es kam wie es kommen mußte: Nachdem diese Lehre über Bord gegangen war, wurden auch gleich weitere Lehren, mit denen ich argumentieren wollte, als offenbar "nicht mehr zeitgemäß" (oder so) abgelehnt. "Ad Fontes" in allen Ehren -- aber wo bleibt da der "Geist, der uns in alle Wahrheit einführen wird"?

Mich macht das immer ein wenig traurig. So wird das jedenfalls nichts mit der Neuevangelisierung...

Dienstag, 10. April 2012

hyperref

Der Herr ist auferstanden! Und ich hatte gestern noch ein besonderes Auferstehungserlebnis:

Vor dem hyperref-Paket hatte ich immer tierischen Horror. Zu oft habe ich gelesen, daß man aufpassen muß, wie und an welcher Stelle man es einbaut, weil es so viele Makros auch aus dem LaTeX-Kern umdefiniert. Zu viele Schwierigkeiten hatte ich bereits mit dem Zusammenwirken von weniger komplexen Paketen. Zu lang war mir die Dokumentation, die aus mehreren ineinander verschachtelten PDFs besteht. Und solange es eh nur um die Druckvorlage für das einzureichende Manuskript ging, hatten klickbare Links im PDF auch keinen praktischen Sinn.

Jetzt aber geht es um die Druckvorstufe, aus der der Verlag auch gleich noch das E-Book bastelt -- und eins der Formate wird schlicht und ergreifend PDF sein. Da der Adobe-Reader offenbar aus allem, das mit http: beginnt und wie eine URL aussieht, einen anklickbaren Link macht (zumindest wenn die Schriften korrekt eingebettet sind), aber Zeilenumbrüche als Ende des Links interpretiert, so daß die Links ins Nirvana führt, war es nun keine wirkliche Option mehr, das alles so zu lassen, wie es ist.

Alles andere war schon fertig, aber das wurmte mich noch. Ok, in kleineren, für den online-Gebrauch vorgesehenen Dokumenten hatte ich hyperref bereits erfolgreich verwendet, aber in einem Dokument, in dem zahlreiche Pakete und eigene Makros[1] zum Teil nur fragil miteinander zum Funktionieren gebracht wurden, und eigentlich schon fertig ist? Μὴ γένοιτο!

Ich hab's dann doch gemacht. Gestern nachmittag bin ich im Geiste nochmal durchgegangen, was eigentlich noch zu tun ist. Irgendwie kam mir dabei der Gedanke an hyperref gar nicht mehr so schrecklich vor, und was sollte schlimmstenfalls passieren? Mehr als hinterher genausoweit wie vorher zu sein, ging doch gar nicht.

Habe ich mich also drangesetzt, einfach mal \usepackage{hyperref} in die Präambel geschrieben und zitternd auf "Ausgabe erstellen" geklickt. Meine schlimmsten Befürchtungen wurden wahr. Nach 100 Fehlern hat pdflatex den Kompilierungsversuch dann einfach mal abgebrochen. Nach nur zwanzig Seiten hat sich hyperref an einem selbsterstellten Makro aufgehängt.

Glücklicherweise hatte ich gestern die Ruhe und die Nerven, nicht gleich vor Schreck alles wieder rückgängig zu machen, sondern den Fehler beheben zu versuchen. Was ein guter Plan war: Wie sich zeigte, war das der einzige Fehler, und bei genauerer Betrachtung war es nur ein einziges Paket, das Schwierigkeiten machte -- weil es versuchte, mit hyperref besser zusammenzuarbeiten, als ich es wollte. Die entsprechende Standardeinstellung umgebogen -- und fertig! Keine Fehler, keine Warnungen. Noch ein paar Feinarbeiten, und alles sah so aus, wie ich es mir nur in meinen kühnsten Träumen gewünscht hatte.

Lange Rede, kurzer Sinn: Nach gerademal dreieinhalb Stunden hatte ich hyperref bis in die Details hinein erfolgreich eingebunden. Auch eine Form von Ostern :-)

===
[1] In den Naturwissenschaften scheint wohl keiner mehr echte Tafeln zu verwenden, sondern entweder Abbildungen, die nicht über eine Seite hinausgehen, oder Tabellen. Als ich den Wizards mein Problem schilderte, kein Paket gefunden zu haben, mit dem ich meine zum Teil nicht auf eine Seite passenden Songtextübersetzungen als gleitendes Objekt einbinden kann, habe ich nur Unverständnis hervorgerufen. Wozu braucht man denn sowas? Was sind denn Tafeln[2]? Klare Antwort: Das, was ihr benutzt, um Tabellen einzubinden, sind eigentlich Tafeln, in die ihr dann eine Tabelle setzt. -- Aha. Dann nimm doch longtable. -- Ja, super. Genau das ist doch das Problem: longtable müßte eigentlich longtabular heißen, denn es setzt überlange Tabellen (und zwar nicht als Fließobjekte!), nicht fließende, überlange Tafeln.

[2] Die deutschsprachige Wikipedia kennt wenigstens neben der Bildtafel auch noch die Zeittafel und damit einen Anwendungsfall von Tafeln im Drucksatz, der sich über mehrere Seiten erstrecken kann[3]. Einen Überbegriff "Tafel (Drucksatz)" gibt es aber nicht. Die englische leitet Tabular gleich nach Table (information) weiter, unter denen sie ausschließlich Tabellen versteht... Demnach gäbe es im englischsprachigen Raum noch nicht einmal eine Möglichkeit, meinen Anwendungsfall ohne lange Erklärungen in Worte zu fassen...

[3] Der Artikel verlinkt auf einen englischen Eintrag namens Timeline. Der kennt aber, obwohl der deutschsprachige Eintrag ausgerechnet die Encyclopedia Britannica als Erstverwender solcher Tafeln nennt, gerade keine mehrseitigen Timelines. Und wenn man ganz korinthenkackend drauf sein will, kann man selbst bei der Zeittafel sagen, hier kommt man auch mit longtable hin, man muß halt nur darauf verzichten, sie fließen zu lassen (argh!). Falls also jemand immer noch die Existenz des Anwendungsfalls einer mehrseitigen Tafel jenseits meines Spezialproblems in Zweifel ziehen will: Versuch mal komplexe Verwandtschaftsbeziehungen etwa in einem Herrschergeschlecht über mehr als zwei, drei Generationen ohne Auslassen (vermeintlich) unwichtiger Nebenlinien auf einer Seite unterzubringen...

Mittwoch, 28. März 2012

Gabenbereitung

In einem Leserbrief wurde letztens kritisiert, die Kirchenmusik hätte in der katholischen Kirche allenfalls den Rang einer Begleitung oder eines Lückenbüßers. So ganz stimmig war die Argumentation nicht, und ein paar Tage später gab es auch einen weiteren, widersprechenden Leserbrief. Dennoch steckt ein wahrer Kern steckt in der Kritik.

Seit einiger Zeit ging die Gabenbereitung irgendwie immer ein wenig an mir vorbei. Ich habe mich gefragt, woran das liegt, und habe daraufhin angefangen, mit Hilfe des Gotteslobs actuosa zu participieren. Das hieß: Das Lied zur Gabenbereitung links liegen lassen.

Und dann fiel es mir wie Schuppen aus den Haaren, als dann ein richtiges[tm] Lied zur Gabenbereitung gesungen wurde: Häufig werden zur Gabenbereitung tatsächlich reine Lückenfüller gesungen, die die Gemeinde beschäftigen, bis die Gaben bereitet sind und die Messe weitergehen kann. Sie lenken also (zumindest mich) von der Gabenbereitung ab und erklären sie für nicht so wichtig. Anders die richtigen[tm] Gabenbereitungslieder. Die paraphrasieren oder zititeren die stillen Gebete des Priesters während der Gabenbereitung und/oder führen zum Opfer und seiner Bedeutung für mich hin.

Ich habe zwar nicht Buch geführt, wie oft so'ne oder solche Lieder zur Gabenbereitung gesungen wurden. Aber ein einfaches "Strophen 4 und 5 des Eingangslieds" geht für mich zur Gabenbereitung überhaupt nicht mehr. Und wenn es noch so schön ist.[1]

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[1] Vergangenen Montag war es "O Haupt voll Blut und Wunden". Da konnte ich mal eine Ausnahme machen :-)

Sonntag, 25. März 2012

Unfaßbar

Ich kann's immer noch nicht glauben. Am Freitag habe ich erfahren, daß in meine Tauf- und Heimatkirche eingebrochen wurde. Was wurde geklaut? Der TABERNAKEL! Zielstrebig und ausschließlich!! Samt Inhalt!!!

Da sind mir Ziel und Motiv relativ egal.

Die Einbrecher haben sich nicht für andere Kunst- und Wertgegenstände interessiert, aber in der Sakristei die dort gelagerten Schlüssel durchsucht. Es liegt nahe, daß sie den Tabernakelschlüssel gesucht haben.

In der Gemeinde existieren zwei Theorien. Die erste ist: Die Einbrecher waren Satanisten auf der Suche nach zu verunehrenden Hostien. Nachdem sie den Schlüssel nicht gefunden haben, haben sie gleich den ganzen Tabernakel mitgehen lassen.

Die zweite ist im Kern auch die der Polizei: Wie auf diesem Bild zu sehen ist, ist der Tabernakel ein dunkler Klotz (mit zwei eingesetzten Bergkristallen) auf hellem Travertin -- KUPFER. In dieser Deutung könnte die (nach einem Zeugen) möglicherweise osteuropäische Herkunft der Täter dafür sprechen, daß sie den Tabernakelschlüssel gesucht haben, um den Inhalt gerade nicht mitnehmen zu müssen.

Aber das ist schlußendlich völlig egal.

Freitag, 9. März 2012

Herrenmode

Ich hatte heute eine Mail von meiner Frau in meiner Mehlbox.[1] Drin war ein Link (via Seraphic).

Ich muß ja sagen, das hat ohne Frage Stil! Obwohl die Übernahme dieser Regeln gravierende Änderungen an meinem Äußeren nach sich zögen, hatte ich schonmal angefangen zusammenzurechnen, welchen Preis ich dafür zu zahlen hätte (vor allem die Trennung von einem guten halben Meter Haar...). Aber dann gab es doch gravierende Rückschläge. Weder wollte mich meine Frau zu meinem Geburtstag mit passenden Kleidungsstücken beglücken, noch war sie in Punkt 2 des Manifests verhandlungsbereit. Wenn ich anfange zu rauchen, fliege ich raus.

Na gut, dann bleibt's wohl vorläufig doch bei Jeans und Turnschuhen. Wobei, ein Kamelhaarumhang mit Ledergürtel...
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[1] Ja, wir schreiben uns vom Wohnzimmer in die Küche[2] Mails.
[2] Küche steht hier übrigens für meine Wenigkeit. Seit ich mein Arbeitszimmer zugunsten der sich mehrenden Kinderschar aufgegeben habe, habe ich den Küchentisch als Arbeitsplatz okkupiert[3].
[3] Occupy Kitchen! Yeah!

Freitag, 10. Februar 2012

Interessante Zeiten

Es gibt einen Fluch. Er lautet: Mögest Du in Interessanten Zeiten leben! Terry Pratchett: Interesting Times

Mein Opa ist im Krieg geblieben. Nur weiß keiner so genau wo. Die letzte Nachricht stammt vom 22. Januar 1945 aus Oppeln. Am 24. Januar besetzte die Rote Armee Oppeln. Seine letzte bekannte Position war also in Frontnähe, der Schluß, daß er wohl dort gefallen sein dürfte, liegt nahe. Aber: It's too simple, too clear cut. I'd better wait. No, too simple, too clear cut. Denn mein Großvater war eigentlich weit weg von der kämpfenden Truppe und im Stab: Spieß in einer Kompanie der Luftwaffen-Pioniere. So ist denn auch die gesamte Kompanie wieder nach hause gekommen -- bis auf meinen Großvater und zwei Kameraden.

Die Familienüberlieferung weiß von einem Kommandounternehmen, auf das eben jene drei Soldaten geschickt wurden, der Sprengung eines (deutschen) Flugplatzes, der bereits hinter den feindlichen Linien lag (diesen hier). Das Unternehmen soll erfolgreich gewesen sein (die Wikipedia weiß davon aber nichts), und selbst die Rückkehr zur Einheit scheiterte nicht an den Russen -- sondern der Wehrmacht, die jeden, der eine Waffe benutzen konnte, brauchen konnte und den Kommandotrupp in den Schützengraben gesteckt haben soll. Weiterhin wurde in der Familie davon ausgegangen, daß er am 14. Juni 1945 in einem Lazarett bei Landsberg/Warthe gestorben ist. Dort gab es jedenfalls einen verzeichneten Toten mit seinem Rufnamen.

Die Internet-Gräbersuche des Volksbundes Kriegsgräberfürsorge bestätigte die überlieferten Angaben, so daß wenig Grund zum Zweifel bestand. Bis ich vor gut fünf Jahren aus einer spontanen Idee heraus nochmal nach dem Gefallenen suchte -- und plötzlich weitere Daten ausgegeben bekam. Und nichts stimmte. Der in Landsberg/Warthe im Kriegsgefangenenlazarett Verstorbene war fünf Jahre älter als mein Großvater, hatte andere weitere Vornamen, stammte nicht aus Westfalen, sondern aus Hinterpommern und war auch kein Oberfeldwebel der Luftwaffenpioniere, sondern ein Volkssturmmann.

Ich weiß nicht, warum es wichtig ist, den genauen Todesort und -zeitpunkt zu kennen. Ich weiß auch nicht, warum mir mein knapp 35 Jahre vor meiner Geburt gefallener Großvater soviel näher steht als meine anderen Großeltern, die gestorben sind, als ich acht, 15 bzw. 20 war. Logisch ist das nicht. Trotzdem läßt mir das Schicksal meines Opas keine Ruhe. Was umso frustrierender ist, als es kaum Ansatzpunkte zur Nachforschung gibt. Die Deutsche Dienststelle (ehemals Wehrmachtsauskunftstelle) konnte nur Auskunft über seine Erkennungsmarke, seine Einheit und zwei Meldungen (die datierte von 1940 aus Norwegen) geben; andere Unterlagen lägen nicht vor und seien vermutlich durch Kriegseinwirkung verlorengegangen. Vom Suchdienst des DRK habe ich auf Anfage im Jahr 2000 nur die Mitteilung bekommen, daß ein Suchantrag seit 1948 besteht. Sonst nichts.

Also blieb nur die vage Hoffnung, daß bei den Umbettungsmaßnahmen des Volksbundes die Erkennungsmarke meines Großvaters gefunden wird oder andere Daten auftauchen, aus denen sich neue Erkenntnisse ergeben. Irgendwoher müssen ja auch die neuen Erkenntnisse über den Toten in Landsberg gekommen sein. Andererseits gibt es genug Arschlöcher, die für Erkennungsmarken der Wehrmacht gutes Geld bezahlen und so Grabräuber (may they rot in hell!) auf den Plan rufen. Die Umbetter kommen dann meist zu spät. Außerdem sind die russischen Akten, die nach 1990 zugänglich wurden, mittlerweile ausgewertet. Wenn mein Opa da verzeichnet gewesen wäre, hätten wir bestimmt schon davon gehört, dächte ich mir jedenfalls.

Silvester 2010 kam jedoch neue Bewegung in die Sache, wieder über die Gräbersuche des Volksbundes. Da gehe ich, wieder mal aus spontaner Idee, die Karl Berndts durch. Und plötzlich steht da: Karl Berndt, *17.06.1905 Mettmann. Daneben gab es noch den Eintrag, den der Volkbund nach meinen Erkundigungen vor 10 Jahren angelegt hatte. Name, Geburtsdatum, Geburtsort -- paßte (fast: der zweite Vorname Johann fehlte) perfekt. Nicht so sonderlich gut paßt: Vermißt seit 1. Januar 1945 in Bublitz/Bärwalde b.Neustettin. Weder ist er seit Anfang Januar vermißt, noch war er im Januar in Pommern.

Eine kurze Mail mit der Bitte um Aufklärung resultierte innerhalb eines Monats in einem recht ausführlichen, erkennbar nicht aus Satzbausteinen bestehenden Brief (ich bin begeistert!). Datenquelle sei das DRK, die Doppelregistrierung sei wegen des fehlenden zweiten Vornamens nicht aufgefallen (schlecht programmierte Software, würde ich mal sagen, aber egal). Die Unstimmigkeit (daß eine private Nachricht aus Oppeln vom Ende des Monats existiert) scheint dem Volksbund nicht bekannt zu sein. Daher haben sie die Datensätze zusammengeführt.

Nächster Anlaufpunkt wieder das DRK, das immerhin die Quelle des Datensatzes aus Pommern sein soll. Da dauert die Antwort schon deutlich länger und besteht auch erstmal nur aus einem Fragebogen und der Einwilligung in die Datenschutzauflagen. Zwei Monate, nachdem ich die zurückgeschickt hatte, bekam ich nun Ende Januar eine neue, diesmal ausführlichere Antwort als vor 12 Jahren. Darin enthalten zum einen die Daten von der Deutschen Dienststelle sowie aus dem Suchauftrag meiner Oma von 1948 -- auf den auch die Registrierung als "Karl Johann" statt "Johann Karl" zurückgeht. Zusätzlich noch ein Hinweis auf das Todeserklärungsverfahren von 1951 (ob ich mit dem Aktenzeichen wohl noch was kriege? :-). Die Suche sei darüber hinaus erfolglos geblieben. Ein Einsatz der fraglichen Einheit in Pommern sei nicht bekannt. Schließlich lag in Kopie ein Gutachten von 1978 bei, das "bis zu einer möglichen Schicksalsklärung seine Gültigkeit" behalte.

Das Gutachten ist zwar ganz spannend, da es die Kriegsgeschehnisse von Januar bis Mai 1945 in Niederschlesien rekonstruiert, trägt aber wenig zur konkreten Frage bei. Es läuft im wesentlichen auf den Schluß hinaus: Er ist nicht mit seiner Einheit zurückgekehrt, er ist nirgendwo in Gefangenschaft gesehen worden, es liegen auch sonst keine Hinweise auf seinen Verbleib vor, also wird er wohl irgendwann zwischen Januar und Mai 1945 gefallen sein.

Auch das paßt nicht mit den anderen Daten zusammen. Vor allem ist "Einheit war nicht in Pommern" keine Antwort auf die Frage, wie die Daten beim Volksbund zustandekommen, insbesondere wenn man die Geschichte mit der Flugplatzsprengung mit einbezieht, die ja eine Trennung von der eigentlichen Einheit beinhaltet. Auch wundert mich, daß im Gutachten kein genaueres Vermißtendatum als Januar bis Mai 1945 (nur im Kopf des Gutachtens ist von Mai 1945 die Rede -- auf welcher Grundlage?) und für das Fehlen eines solchen nur "gerade im Häuserkampf oder bei Nachtgefechten sind viele gefallen, ohne daß es die Kameraden bemerkt hätten" angeführt wird. Ergibt das Sinn bei einem Stabsangehörigen, der als einer von nur drei Angehörigen seiner Kompanie nicht aus dem Krieg zurückgekommen ist?

Ok, wenn ich das vorliegende Datenmaterial betrachte, kann ich die Schlüsse des DRKs durchaus nachvollziehen -- streicht man die Familienüberlieferung, klingt alles ganz logisch. Daher habe ich angefangen, nach Unterlagen zu suchen (bzw. meinen Vater suchen zu lassen), aus denen insbesondere das Kommandounternehmen hervorgeht. Und tatsächlich: Es gibt einen Brief einer Schwester meines Großvaters an den Volksbund von 1947, der ausweislich des Eingangsstempels auch bei der Beantragung der Witwenrente für meine Oma eine Rolle gespielt haben dürfte, in dem dieser Einsatz als Tatsache geschildert wird, und zwar genau so, wie die Familie ihn überliefert hat. Daneben ein Zeitungsausschnitt, der die Todeserklärung meines Großvaters bekannt macht (auch unter dem Namen Karl Johann statt Johann Karl) und die Geburtsurkunde, auf der (endlich mal wieder, ich fing schon an zu zweifeln) Johann Karl steht (und noch ein paar andere interessante Dinge über die Familie, die offenbar Anfang des Jahrhunderts "christlich dissident" war, aber darüber vielleicht ein andernmal).

Vielleicht greife ich ja nach Strohhalmen. Trotzdem werde ich versuchen, daß DRK und Volksbund sich mal ordentlich austauschen und die jeweils gesammelten Erkenntnisse tatsächlich austauschen. Vielleicht verraten die sich ja gegenseitig mehr als mir.

Freitag, 20. Januar 2012

Hierarchisch angeordnete Kommentare

Tschaka! Jetzt ist die Kommentarfunktion bei Blogger endlich nicht mehr auf "Bulletin Board"-Ansicht beschränkt, sondern es gibt die Möglichkeit, sie so einzurichten, daß es auch unterschiedliche Kommentarfäden gibt. Habe ich gleich mal entsprechend umgestellt. Damit kann man sich in Zukunft das blöde "@Hastenichgesehen" sparen. Tschaka!

Hallo! Wach!

Der sächselnde Priester (nach einer wahren Begebenheit):

"Aus dem heiligen Evangelium nach Morgoth..."

Sonntag, 15. Januar 2012

Filmische Enttäuschung

Nachdem ich es schon seit drei, vier Jahren vor hatte und die DVD auch schon seit zwei Monaten bei mir rumstand, habe ich jetzt endlich mal "The Exorcist" geguckt. Irgendwann während meiner Diss wurde mir bewußt, daß nicht nur ein Gutteil textlicher Inhalte des Metals aus Horrorfilmen stammt, sondern daß es auch eine ästhetische Verwandtschaft zwischen beidem gibt, die bis hin zur Wirkung auf den Zuhörer/Zuschauer geht. Das habe ich zwar damals nicht weiter vertieft, trotzdem wäre es mal spannend, der Frage nachzugehen, wie der Metal es mit musikalischen Mitteln schafft, eine ähnliche Wirkung hervorzurufen wie die Filme, die mit der Kombination aus Bildern und Tönen es wesentlich einfacher haben müßten, bestimmte Emotionen hervorzurufen.

Haben müßten. Während ich den Film gesehen habe, kam mir spontan ein Dialog aus Monty Pythons Spanish Inquisition-Sketch in den Sinn: "Is that really all it is?" -- "Yes, lord." -- "I see. I suppose we make it worse by shouting a lot." In der ersten halben Stunde -- das ist ein gutes Viertel des Films -- passiert so gut wie gar nichts. Sie ist reine Exposition und dafür viel zu lang geraten, zumal einiges von dort später keine Rolle mehr spielt, ich mich also gefragt habe, was mir diese Szenen eigentlich sagen sollten. Nach 23 Minuten kam immerhin mal ein Ouija-Bord vor, aber wie auch später -- mit Ausnahme des tatsächlichen Exorzismus am Ende des Films -- gibt es hier eine ganz kurze Andeutung, dann geht es im normalen Alltag weiter. Die kurzen Phasen, in denen die Besessenheit dargestellt wird, bestehen vor allem aus schreienden Frauen. Super. Ist wie im Blair Whitch Project: Ohne Ton (unfreiwillig) komisch, aber ganz sicher nicht ängstigend.

Es mag sein, daß der Film Anfang der 70er wirklich kraß war. Sprachlich bestimmt. Keine Ahnung, wie das auf Deutsch ist, auf Englisch ist in den Besessenheitsphasen großzügig geschätzt jedes zweite Wort ein "Four-Letter-Word". Nicht nur das mit "f", sondern gleich mehrere mit "c" und eines mit "s", die allesamt aus derselben subabdominalen Gegend stammen. Wie überhaupt die Besessenheit vor allem was mit Sexualität zu tun haben scheint.

Es ist zwar nicht ganz fair, einen neueren Film gegen einen älteren auszuspielen, nur weil ich ihn früher gesehen habe, trotzdem fand ich "The Ritual" besser als "The Exorcist". Obwohl die Parallelen (bis hin zu den Gründen der Entstehung und dem Aufbau auf einer realen Geschichte) unübersehbar sind, ist beim "Ritual" alles besser: Das Drehbuch, der Schnitt, die Spannung, die Darstellung der Besessenheit, ja, die ganze Story. Der "Exorzist" ist irgendwie komisch "objektiv", das heißt: Er bietet überhaupt keine Identifikationspersonen. Es ist nicht einmal klar, wer eigentlich die Hauptrolle hat. Die besessene Regan? Ihre Mutter? Father Karras? Aber warum heißt der Film dann "The Exorcist"? Der Exorzist ist vielmehr Father Merrin, der nur am Anfang und am Ende des Filmes vorkommt, für mich aber noch am ehesten zur Identifikationsfigur getaugt hätte -- wenn er denn mehr Anteil am Film gehabt hätte. Im wesentlichen ist er nur am Anfang auf seiner Ausgrabungsstätte zu sehen und am Ende beim Exorzismus. Ok, er hält damit tatsächlich den Film als ganzes zusammen, aber auch nur so weit, daß er nicht in Fragmente gesprengt wird.

Aber immerhin weiß ich jetzt, woher Marduk das "Fuck me, Jesus"-Motiv haben und daß der Anfang von Possesseds "The Exorcist" Mike Oldfields "Tubular Bells" ist, m.a.W.: Das einzige einprägsame musikalische Motiv im ganzen Film (also selbst die Musik ist allenfalls durchschnittlich). Warum der Film das Prädikat "besonders wertvoll" bekommen haben soll, ist mir ein Rätsel, genauso warum manch einer der Kommentatoren im Internet meint, wenn nicht dieser, welcher Film sollte dann FSK 18 sein. Ich gehe da eher mit dem in der Wikipedia zitierten Everson:
Man kann nicht bestreiten, dass "The Exorcist" ein Publikum wirklich mitreißt; und trotzdem ist es ein billiger und minderwertiger Film – häufig ungeheuer plump in seiner Unfähigkeit, auch nur glatte Szenenanschlüsse zustandezubringen [...]. Trotz all seines Hokuspokus gelingt es "The Exorcist" nicht, den Teufel fürchterlicher erscheinen zu lassen als die Vampirin in Carl Dreyers "Vampyr" [kenne ich zwar nicht, wird aber mit Sicherheit stimmen]. Es ist wohl ein Symptom für unsere wirre Zeit, daß die Leute in "The Exorcist" gerannt sind, um sich Angst machen zu lassen, weil sie schreien wollten, verschreckt und angeekelt wieder herauskommen, aber irgendwie doch stolz darauf, daß sie es ausgehalten haben.“

Jetzt hoffe ich, daß die Omen-Reihe besser ist. Oder ich gehe doch wieder zu meinen Zombies zurück. Die sind, wenn sie schon nicht bedrohlich wirken, wenigstens lustig.

Familiensonntag. Ein Fragment

Als ich heute in den Dom kam, war ich einen kurzen Moment lang erschreckt, wie leer es war. Ah, ok, dritter Sonntag im Monat, also Latein (im novus ordo, wohlgemerkt :-), da ist öfter mal nicht ganz so voll. In der Statio wurde ich dann von Regens Karlson aufgeklärt, daß "im deutschsprachigen Raum" schon seit langem der 2. Sonntag im Jahreskreis "Familiensonntag" sei (und der Seminar-Spiritual fügte in der Predigt noch hinzu: in keinem der heutigen Meßtexte gehe es auch nur annähernd um Familie; er hat dann doch die Lesungstexte darauf abgeklopft, was sie für das Familienleben zu sagen hätten, durchaus erfolgreich übrigens, schien mir aber trotzdem etwas weit hergeholt). Anlaß für einen zweiten Blick, der mich noch mehr erstaunte: Das Durschnittsalter lag bestimmt deutlich unter 50, eher sogar unter 40. Und so hätten wir auch wie in früheren Zeiten wieder ein Kindermeßbuch (mit den lateinischen Texten und deutschen Übersetzungen), damit wir die Messe in der Sprache der weltweiten Familie der Kirche feiern können (die spätere Überleitung zu den Vermeldung auf Latein ist mir leider, vor allem der Intonation wegen, unreproduzierbar). Ja, so gedeutet kann ich dann auch mit einem "Familiensonntag" leben :-)